Anders. Und… meistens artig

Janine Werner hätte Lehrerin werden können. Sie entschied sich für die wunderbare Unsicherheit eines Künstlerinnenlebens. Was für ein Glück.

Wenn Janine Werner sich nachmittags vor ihre Galerie Anders-
Artig auf die Rampe setzt, die alle Künstlerwerkstätten der Güterhallen verbindet, kann so ziemlich alles passieren. Plötzlich steht der Musiker einer New Yorker Band vor ihr, der gerade seine Partnerin in Solingen besucht. Oder ein kunstbegeisterter Fahrradfahrer hält auf einen Schnack und wird fürs nächste Jahr ihr Kunde. Wenn sie nachts um zwei noch kreativ ist und malt, was sie gerne mit schwarzer Tusche auf selbst geschöpftem Büttenpapier macht, schauen auch schon mal Polizisten auf Nachtstreife in der Galerie vorbei und schlendern kurz durch die Ausstellung. Alles schon so passiert in der kreativen Welt von Janine Werner. Weil sie es passieren lässt.

Gut, sie hätte es anders haben können. Hätte Architektin werden können, studiert hat sie das ja. Oder Berufsschullehrerin, denn unterrichtet hat sie ebenfalls eine Zeitlang. „Und dann hatte ich Angst vor dieser Sicherheit. Bis zur Rente immer dasselbe machen? Ich bekam Panik“, erzählt Janine Werner, die heute überhaupt nicht mehr plant, weil sie weiß, dass das eh nicht funktioniert. Was für sie dagegen sehr gut funktioniert hat, war, sich auf sich selbst zu besinnen. Auf die eigenen Ideen und die unendliche Kreativität, die in einem schlummert. Zurückzudenken an die ersten skurrilen Bleistiftzeichnungen aus der Kindheit, die sie  einfach mal gemacht hat, bevor die Eltern den Zeigefinger der Vernunft hoben.

All das machte sie. Lernte dann den bekannten Solinger Zeichner Régis Noël kennen und erfuhr, dass in den Güterhallen noch eine Galerie frei war. Und fackelte nicht lange: Mit Mann und Kind zog sie auch gleich in die Wohnung darüber ein.
AndersArtig war geboren. Und Janine Werners Kindheitstraum von der eigenen Galerie erfüllt. Die ist heute viel mehr als ausschließlich ihre kreative Welt. Sie teilt sie mit Musikern, Autoren, Schauspielern, denen sie immer wieder eine Bühne für ihre Kunst bietet – und dabei ihre eigene mit einfließen lässt. Und weil in ihrer Welt die Farbe egal ist, (Hauptsache es ist schwarz!) sind die meisten ihrer Werke düster, morbide, könnten aus einem Gothicroman oder einem Tim-Burton-Film entsprungen sein. Wie das eines Menschen, der seinen Kopf in der Hand hält, und in dem Kopf tummeln sich zig Figuren.

„Ich war schon immer ein Querkopf und sehe mich nicht als Künstlerin, die die Solinger bespaßen muss.“

Eine Metapher auf den ganzen Gedankenwust, der viele Menschen den lieben langen Tag umtreibt. „Mich fragen immer wieder Freunde, warum ich nicht mal was Farbenfrohes mache. Das würde sich doch besser verkaufen. Aber darum geht es mir ja gar nicht. Außerdem: Ich habe mal eine Zeitlang mit mehr Farben gearbeitet. Fröhlich waren die Bilder trotzdem nicht.“

Sie selbst ist es. Weil sie machen kann, was sie will und wie sie es will. Jeden Tag. Weil sie so viele Künstler und Kunstbegeisterte um sich hat, mit denen sie kooperiert. Wie beim „Eye-Project“, einer kreativen Künstlergemeinschaft, die sie 2016 mit Ingo Schleutermann und Marcel Lamour gründete. Die drei arbeiteten auch beim HR-Giger-Projekt zusammen. Die Kunst des Schweizer Genies, den meisten Menschen nur bekannt, weil er das „Alien“ gestaltet hat, holten sie gemeinsam nach Solingen. Und sie besuchten auch gemeinsam das Giger-Museum in einem kleinen Schweizer Kaff. „Eine der beeindruckendsten Erfahrungen meines Lebens“, wie sie sagt. Eine weitere dürfte die geplante Mexiko-Reise im nächsten Sommer werden, wenn sie mit mit dem Eye-Project und ihrer ganzen Familie der Einladung befreundeter Künstler aus dem südamerikanischen Land folgt, die auch am Giger-Projekt beteiligt waren. Sie weiß: „Da unten und zum Beispiel auch in Spanien sind die Leute viel offener für düstere Kunst.“ Nicht nur dort: Als sie mit einigen Kooperationspartnern vor zwei Jahren den Dark-
Music-Event „Düsterhallen“veranstaltete, kamen Gäste aus Bayern, England, Russland … aber kaum Solinger. Sponsoren für die Giger-Ausstellung fand sie in der Klingenstadt auch nicht. Die Stadt stellte eine kleine Fördersumme, der Rest kam aus Mexiko. „Obwohl wir ein tolles Kunstmuseum haben und hier in den Güterhallen so viel passiert, glaube ich, dass Solingen keine Kunststadt ist. Aber ich sehe mich auch nicht als Künstlerin, die die Solinger bespaßen muss.“

Dabei bewegt Janine Werner viel in der Stadt. Dieses Jahr hat sie zum ersten Mal das Kindermalfest organisiert und Jungen wie Mädchen für die Kunst begeistert. Aktuell gestaltet sie die Aufenthaltsräume der Notschlafstelle neu. Projekte, die ihr Spaß machen und für die sie dann auch mal tagsüber kreativ ist. Meistens aber kommen ihr abends und nachts die besten Ideen. „Ich habe mal gedacht:

Wenn dann deine Tochter in die Schule geht, hast du vormittags Zeit zum Malen. Geht aber nicht. Da kann ich nur mal ein paar Orga-Dinge erledigen.“ Und wenn dann, später, die Sonne untergegangen ist hinter den Güterhallen und Dunkelheit die Stadt überzieht, dann erwacht in Janine Werner das, was sie schon immer war. Eine begnadete Künstlerin.

Ein Artikel aus dem Engelbert Solingen, Ausgabe 25.
Fotos: Martina Hörle, Astrid Kirschey, Peter Emmert