Mit Knete zum Weltstar

Knet-Künstler Simon Haase hat ein Lebensziel – das nicht darin besteht, mit seinem YouTube-Kanal ClayClaim reich und berühmt zu werden. Geschafft hat er es trotzdem. Was ihn motiviert, verriet er ENGELBERT Autorin Melanie Aprin im Interview.

ENGELBERT: Simon, Du bist Diplom-Designer und einer der berühmtesten Youtuber in der Kreativ-Szene. Deinem Profil im sozialen Netzwerk LinkedIn ist das nicht zu entnehmen. Dort hast Du als Jobtitel „Playing with some clay“ eingetragen. Zu Deutsch: „Ich spiele mit Knete“. Warum so bescheiden?

Simon Haase: Es ist nie mein Lebensziel gewesen, als Youtuber reich und berühmt zu werden. Bei mir stand immer die
Kreativität im Vordergrund, mich mit meinen Ideen zu entfalten und das, was ich als Mensch zu sagen habe, einer globalen Community zu erzählen. An mir selbst habe ich gelernt, wie sehr Kreativität der persönlichen Entwicklung hilft. Und daher möchte ich andere Menschen inspirieren, ebenfalls kreativ zu sein.

Dein langjähriger Erfolg auf YouTube mit Millionen Followern auf der ganzen Welt war also nicht geplant?

Definitiv nicht. Als ich meine ersten Figuren modellierte, besaß ich noch eine Agentur, die als kreatives Designbüro Online-Lösungen für Unternehmen aus dem ganzen Bergischen Land anbot.
Den YouTube-Kanal baute ich mehr oder weniger nachts auf. Das passierte aus reiner Leidenschaft und weil ich mich
erinnerte, was mich als Kind glücklich gemacht hatte. Die Videos habe ich dann auf Englisch gemacht, weil ich dachte: Wenn das Ganze ein Flop wird, habe ich wenigstens mein Englisch verbessert.

Simon Haase alias ClayClaim in seinem Element ©Roland Keusch

Waren Deine Englisch-Kenntnisse denn so schlecht?

Sie waren so schlecht, dass ich wegen Englisch in der Schule sitzengeblieben bin. Manchmal braucht es einfach nur die richtige Motivation, um neue Sprachen zu erlernen. Aber zurück zur Kreativität: Sie ist die Keimzelle des Erfolgs gewesen. Ein kommerzielles Ziel hatte ich 2016, als ich mit dem Kneten anfing, wirklich nicht vor Augen.
Und es sah auch rein gar nicht nach einem kommerziellen Erfolg aus. Ein Jahr lang verdiente ich mit meinen Figuren
und Videos keinen einzigen Cent. Aber meine Leidenschaft trieb mich an.

Heute ist das anders: Deine Knet-Tutorials werden millionenfach angeklickt, Du besitzt ein eigenes Animationsstudio, hast mehrere Mitarbeiter und bist im Ausland und in den USA noch berühmter als im Inland. Ist die Durststrecke damit dauerhaft vorbei?

Das empfinde ich nicht so. Im Gegenteil: Ich musste zuletzt Mitarbeiter entlassen, weil ClayClaim den größten Hype während der Corona-Pandemie hatte. In dieser Zeit saßen die Leute daheim vor den Bildschirmen und probierten neue Hobbies wie Modellieren aus. Nun ist die Pandemie vorbei. Zudem verändert sich das Nutzerverhalten gerade rasant,
insbesondere bei der jungen Zielgruppe.

Worauf spielst Du an?

Durch TikTok oder YouTube Shorts hat sich die Aufmerksamkeitsspanne dramatisch verringert. Als ich vor sieben Jahren anfing, schauten sich Kinder und Jugendliche noch minutenlange Videos auf YouTube an.
Heute hingegen sind Memes auf TikTok und kurze Filme auf Instagram gefragt. Das ist zwar auch kreativer Inhalt, aber die Audios oder Videos sind blitzschnell vorbei, und das nächste wartet schon; nur einen Wisch entfernt. Da werden dann in Clips von nur zehn Sekunden Länge vier oder fünf Emotionen vermittelt – Trauer, Freude, Wut und Lachen. Langformat-Videos haben es schwer, da mitzuhalten.

Siehst Du das kritisch?

Es ist eine Herausforderung, der ich mich mit meinen Mitarbeitern mit viel Kreativität stelle. Und es ist nicht die einzige Herausforderung: ClayClaim kommt natürlich auch an der Künstlichen Intelligenz nicht vorbei.

©Roland Keusch

Wenn man Dich in den Tutorials so geschickt kneten und werkeln sieht, kann man neidisch werden. Du hättest auch Chirurg werden können!?

Chirurg oder Zahnarzt (lacht). Der Vergleich mit dem Chirurgen ist aber gut: Neben unseren Tools zum Modellieren, die wir seit einigen Jahren stolz in Remscheid selbst herstellen lassen und über unseren OnlineShop vertreiben, benutzen wir in den Videos tatsächlich oft Skalpelle.

Eure eigenen und lokal gefertigten Werkzeuge sind interessanterweise aus Materialien wie recyceltem Olivenholz, Esche oder Eiche. Warum ausgerechnet diese Materialien?

Wir hatten die Werkzeuge mehr so als Service für unsere weltweite Community entwickelt, die mitkneten möchte. Wir wollten für die Eigenproduktion aber nur Ressourcen und Möglichkeiten verwenden, die wir hier vor Ort hatten – auch als Gegenentwurf zu den Plastik- und Blechwerkzeugen der großen Hersteller von Modelliermassen, die bisweilen
schon nach viermaliger Benutzung brechen und bei denen oft schon nach kurzer Zeit der Lack abblättert.

Youtuber Simon Haase
Der gebürtige Remscheider Simon Haase (36) ist als YouTuber unter dem Namen ClayClaim bekannt. ClayClaim heißt auch sein Kanal, den er 2015 gründete. 2016 lud der studierte Kommunikationsdesigner dort sein erstes Video hoch. Darin erschuf er, mit unterhaltsamen Kommentaren auf Englisch, aus Polymer-Knete den Minion Stuart – eine Hauptfigur aus den computeranimierten Kassenschlagern von Universal Pictures.
Inzwischen hat der talentierte Grafik-Designer knapp 450 Video-Tutorials und Stop-Motion-Animationen hochgeladen. Die Figuren und Motive aus Polymer-Clay kreiert der zweifache Familienvater im Wochenrhythmus und lässt sich
dabei oft von Charakteren aus Computerspielen inspirieren. Damit ist der Webvideo-Produzent global erfolgreich, hat nach aktuellem Stand über 3,1 Millionen Abonnenten und fast 460 Millionen Aufrufe erzielt. Heute ist seine Firma ClayClaim Studio weit mehr als ein Youtube-Kanal: Haase hat daraus ein breit aufgestelltes Unternehmen gemacht, das mehrere Mitarbeiter beschäftigt und mit seinen Knetfiguren ebenfalls auf TikTok, Instagram und Facebook präsent ist. Zudem hat der Webvideo-Produzent auf YouTube einen eigenen Shop, über den er an seine Fans in der ganzen Welt Knete, Knet-Sets und eigene lizenzierte Knetwerkzeuge aus hochwertigem Holz verkauft. Der Firmensitz ist in der Remscheider Gründerschmiede. Ganz in der Nähe befinden sich auch die Werkstatt und das Animationsstudio.