Die Hochbegabte

Veronica Ferres ist die vielleicht bekannteste Schauspielerin, die das Bergische Land hervorgebracht hat. Ob Theater, TV-Serie oder Hollywood-Blockbuster: Kaum ein Gesicht steht seit mehr als 30 Jahren so für deutsche Schauspielkunst und internationalen Erfolg wie das der Solingerin.

Dabei fing alles ganz harmlos an. Veronika (damals schrieb sie sich noch mit einem „k“) Marie Cäcilia Ferres wird 1965 als jüngstes Kind von Peter und Katharina Ferres in Solingen geboten. Der elterliche Betrieb handelt mit Kartoffeln und Kohle, beliefert Großküchen mit geschälten Versionen der Erdäpfel. Die Kartoffeln holt Ferres Senior mit seinem Laster von der niederländischen Grenze. Die kleine Veronika darf öfters vorne mitfahren. Mutter Ferres steht hingegen auf dem Wochenmarkt und bringt die Ware unters bergische Volk, während Veronika nach der Schule für die Familie kocht. Die Fähigkeit, kochen zu können, habe ihr auch später sehr genützt, sagt sie einmal. Was sich nun fast entbehrungsreich liest, ist für die heutige Veronica Ferres (die sich jetzt mit „c“ schreibt) durchgängig mit schönen Erinnerungen verbunden: „Wenn ich an diese frühen Jahre im Bergischen Land zurückdenke, kommen mir zuerst Begriffe wie Heimat, Geborgenheit, mein liebevolles Elternhaus und eine tolle Kindheit in den Sinn“, sagt sie heute.

Kein rosiger Start ins Show-Business

Trotz der schönen Zeit steht für die Solingerin schon früh fest, dass sie nicht in den elterlichen Betrieb einsteigen will. Etwas anderes in ihr ist viel stärker, und das wird schon früh klar. Als 14-jährige spielt Ferres bereits im Tanztheater der großen Pina Bausch in Solingen. Als sie mit ihrer Schulklasse den Film „Danton“ mit Gérard Depardieu sieht, ist sie wie vom Donner gerührt und starrt wie gebannt auf die Leinwand. Plötzlich ist der Teenagerin klar, dass die Schauspielerei dem Ziel ihrer Träume sehr nah kommt. Die Eltern sind zunächst dagegen, aber sie findet Unterstützung bei einem Lehrer an ihrer Schule. „Ich bin mit ihm heute noch freundschaftlich verbunden. Ich habe ihm sehr viel zu verdanken“, gibt sie zu. Und auch die Eltern lenken schließlich ein, nachdem sie 1984 ihr Abitur am Gymnasium Schwertstraße in Solingen abgelegt hat.

„Als ich einen Studienplatz an der Ludwig-Maximilians-Universität in München für Theaterwissenschaften, Germanistik und Psychologie bekomme habe, hatten meine Eltern keine Einwände mehr.“ Doch ganz so rosig sieht die Zukunft des späteren Filmstars zu Beginn gar nicht aus. Ferres verlässt die Uni ohne Abschluss, erhält Absagen von Schauspielschulen. Schließlich nimmt sie Privatunterricht am Wiener Max Reinhardt Seminar und absolviert eine Prüfung in klassischem Schauspiel. Es folgen Engagements am Düsseldorfer Schauspielhaus oder am Bayerischen Staatstheater. „Ich wollte ja eigentlich immer nur Theater spielen und nichts anderes“, betont sie. Doch dann kommen die ersten Film- und Fernsehangebote. Ferres: „Das erste war von Edgar Reitz. Ich hatte 30 Drehtage in ‚Die zweite Heimat‘. Dann kam bereits mein erster Tatort mit Götz George. Oh Mann, ich habe tatsächlich in meinem ersten Tatort mit Götz George gespielt. Dann hatte ich ein Casting für ‚Schtonk‘, der Film wurde für den Oscar und den Golden Globe nominiert, und der Rest ist Geschichte“, sagt sie.

Von Solingen nach Hollywood

Es folgen unzählige TV- und Kinofilme. Veronica Ferres dreht als eine der wenigen deutschen Schauspielerinnen regelmäßig in Hollywood, steht dabei mit übergroßen Superstars wie Keanu Reeves oder Nicolas Cage vor der Kamera. Auf die Frage, ob sich solche Produktionen von deutschen Projekten mit viel kleineren Budgets unterscheiden, sagt sie bestimmt: „Die Arbeit ist immer gleich: In dem Moment, wo die Kamera läuft, geht es um alles, um Leben und Tod, und man ist auf sich gestellt. Aber die Geschichte und die Rolle tragen einen schließlich. Und ich bin sehr glücklich und dankbar, dass ich beispielsweise kürzlich die weibliche Hauptrolle in ‚The Unholy Trinity‘ an der Seite von Pierce Brosnan und Samuel L. Jackson spielen durfte.“

Daneben ist sie aktuell als Operative Fallanalytikerin im Krimi-Format „Mordsschwestern“ zu sehen und wirkt in der ZDF Neo-Serie „Hameln“ mit, die ab dem 30. Dezember ausgestrahlt wird. Denkt man, dass sie solche vergleichsweise kleinen Rollen annimmt, um sich zu erden, ist das bloße Spekulation, denn Veronica Ferres kniet sich in jedes Projekt mit dem gleichen Elan – vielleicht ist es gerade diese Eigenschaft, die sie so erfolgreich gemacht hat. Zur Geschichte des Rattenfängers von Hameln hat sie ohnehin eine besondere Beziehung: „Die Sage des Rattenfängers von Hameln hat mich als Kind schon fasziniert. Ich erinnere mich daran, dass ich sie immer von meinen Eltern vorgelesen bekommen habe und ich sie dann meiner Tochter vorgelesen habe. Es ist einer der bekanntesten Sagen weltweit mit einer sehr prägnanten Message. Umso schöner finde ich es, dass ich ein Teil dieser tollen Horrorserie bin.“

Klassentreffen mir Richard David Precht

Eine weitere Verbindung zu ihrer Solinger Kindheit stellt das Stufentreffen zum 40-jährigen Abitur dar, das kurz nach unserem Interview stattfindet. Ob ihr langjähriger Sitznachbar Richard-David Precht zur Feier erscheinen wird, war bei Redaktionsschluss nicht sicher, aber dass Veronica Ferres zu den Menschen gehört, die solchen Veranstaltungen durchaus positiv gegenübersteht, stellt sie unmissverständlich klar: „Ich freue mich darauf, viele bekannte Gesichter zu treffen, tolle Begegnungen und schöne Gespräche zu haben.“ Zudem ist sie froh darüber, mal wieder in der Heimat zu sein. „Nicht nur durch das Klassentreffen und meine früheren Mitschüler habe ich eine Verbundenheit hier, sondern auch Freunde und Familie wohnen nach wie vor in Solingen.“ Kein Wunder, dass sie bei der Gelegenheit gleich noch eine Laudatio für die diesjährige Gewinnerin des Ehrenpreises „Die Schärfste Klinge“ zu halten. Die Wahl fiel auf Moderatorin Dunya Hayali, die am 29. November im Theater und Konzerthaus geehrt wurde. Welcher Ort wäre wohl angemessener, um Veronica Ferres auf die Bühne zu holen? Marcus Italiani