Digitaler Detektiv für Unverträglichkeiten 

Der Solinger Yannick Wiesner und Pauline Nöldemann haben die App „viatolea“ entwickelt. Mithilfe von smarten Algorithmen wollen sie Betroffenen von Unverträglichkeiten das Leben leichter machen. 

Ein Stück Käsekuchen oder ein Teller mit frischem Obst, ein großzügiger Milchkaffee oder ein Gericht mit Trockenfrüchten – und plötzlich tauchen die Magenschmerzen auf. Aus dem Genuss wird eine Qual. „Bis zu 30 Prozent der Deutschen leiden unter Nahrungsmittelunverträglichkeiten“, sagt Yannick Wiesner. Die meisten von ihnen werden allerdings niemals diagnostiziert. Stattdessen würden Betroffene mit möglichen Lebensmitteln experimentieren. Gelegentlich komme es bei diesen Versuchen auch zu Mangelernährung. Der gebürtige Solinger und seine Kollegin Pauline Nöldemann wollten es dabei nicht belassen und entwickelten eine App, die sich Nahrungsmittelunverträglichkeiten auf die Spur macht: „viatolea“. Kostenlos können Versicherte der Bergischen Krankenkasse über die App herausfinden, welche Lebensmittel bei ihnen zu Beschwerden führen. „Es ist wichtig, deutlich zu trennen. Es geht nicht um Allergien, sondern um klassische Nahrungsmittelunverträglichkeiten“, sagt Yannick Wiesner und denkt vor allem an Laktose, Fruktose und Sorbit, die in Deutschland für den allergrößten Teil der Unverträglichkeiten verantwortlich sind. 

Unverträglichkeiten werden selten vom Arzt diagnostiziert  

Pauline Nöldemann kennt die Qual nach dem Genuss selbst, sie leidet unter Nahrungsmittelunverträglichkeiten. Im Masterstudiengang in Nürnberg traf sie auf Yannick Wiesner aus Solingen. Beide studierten Internationale Wirtschaftsinformatik und teilten die Begeisterung für Apps, die Menschen in ihrem Alltag wirklich helfen. „Und wir stellten fest: Nahrungsmittelunverträglichkeiten werden selten beim Facharzt diagnostiziert. Tests sind sehr aufwändig und kostenintensiv. Es gibt eine Versorgungslücke“, berichtet Yannick Wiesner. Also entwickelten sie gemeinsam eine App, die sich mithilfe des Zusammenspiels aus smarten Algorithmen und menschlicher Kompetenz auf die Suche nach den Übeltätern macht. Rund drei Monate lang werden Betroffene von dem Programm begleitet. Anfangs dokumentieren sie, was sie essen. „Wir haben das möglichst unkompliziert gehalten“, erklärt Yannick Wiesner. Keiner muss Nahrungsbestandteile in Gramm eingeben, eine vorbereitete App-Maske fragt Mahlzeiten ab. Nach nur zwei Wochen erhalten Nutzer ihre individuelle Analyse. Dabei werden die eingegebenen Mahlzeitendaten mit einer staatlich geprüften Datenbank abgeglichen. Wann traten welche Beschwerden auf? Welche Nahrungsmittel könnten dafür verantwortlich sein? Die App liefert die Antworten.  

App bietet Ernährungstipps an 

„Schon unser Prototyp wurde ohne großen Werbeaufwand sehr gut angenommen“, erzählt Yannick Wiesner. Und eine erste Studie ergab: 75 Prozent der Nutzer spürten durch die Ergebnisse der App und die Anpassung ihrer Ernährung, dass die Beschwerden zurückgingen. Inzwischen haben mehr als 10.000 Menschen die App runtergeladen, das Bundeswirtschaftsministerium fördert die Entwicklung der App. Die Gründer haben längst das nächste Kapitel in den Blick genommen: Der Prototyp der App durfte noch nicht als Medizinprodukt auf den Markt gebracht werden. Dank der Weiterentwicklung der App und der Weiterqualifizierung der Gründer ist „viatolea“ seit Januar dieses Jahres offiziell als Medizinprodukt zertifiziert. Dadurch kamen wertvolle Kooperationen wie zum Beispiel mit der regionalen Bergischen Krankenkasse zustande; die Zusammenarbeit mit weiteren Krankenkassen, die das App-Angebot ihren Kunden kostenlos anbieten, ist geplant. Und die App bekommt eine weitere, entscheidende Funktion. Nachdem der Algorithmus herausgefunden hat, welches Lebensmittel der Übeltäter ist, bietet sie Ernährungstipps an. Sie gibt dann Rezeptvorschläge und informiert, welche Lebensmittel sinnvoll durch andere ersetzt werden können. „Nüsse liefern zum Beispiel viele Vitamine, enthalten aber wenig Fruktose“, erklärt Wiesner. Fett und Proteine als Zugabe in Mahlzeiten könnten die Verdauung verlangsamen und es dem Körper erleichtern, Fruktose besser aufzunehmen. Die App befähige Betroffene also dazu, neue Lebensmittel und Rezepte in ihren Alltag zu integrieren – und biete gleichzeitig regelmäßige Überprüfungen an. Und sie mache wieder Lust, das Essen zu genießen.

Foto: Viotolea

Theresa Demski
Titelbild: BayStartUp