Herr der Ringe

Wie wird eigentlich ein Ring geschmiedet?
ENGELBERT hat zugeschaut – bei Goldschmied und Juwelier Hähner in der Innenstadt.

Es kann wenige Stunden dauern.  Oder mehrere Tage. Kommt ganz darauf an. Denn der eine Ring, insbesondere dann, wenn er für einen Hochzeitsantrag oder die Hochzeit selbst geschmiedet wird, ist ein Unikat. Nichts von der Stange. Nichts aus dem Prospekt. Sondern etwas, das an keinem Finger auf der ganzen Welt so noch einmal zu finden ist. Und damit etwas ganz Besonderes. Diese individuelle Art von Schmuck möchten immer mehr Menschen gerne haben. Der Remscheider Goldschmied und Juwelier Marc Hähner, der das 87 Jahre alte Unternehmen seiner Familie in dritter Generation fortführt, hat das Glück, sich jeden Tag mit diesem Besonderen beschäftigen zu dürfen. Er schmiedet noch Goldringe komplett selbst. ENGELBERT ließ er dabei einmal über die Schulter schauen.

Alles beginnt mit Stift und Papier. Denn die Ringmodelle animiert Hähner nicht vorher in 3D am Computer („Da ist mir die Gefahr zu groß, dass ich dann doch mal eine Form verwende, die ich schon mal hatte“), sondern er zeichnet die Ringe vorher auf. Diese bereits sehr genauen Skizzen sind die Basis für den Ring. „Vom Grundsatz her geht erst einmal alles: Verschiedene Linienformen und Materialien, unterschiedliche Steine. Wir versuchen, alle Wünsche der Kunden zusammenzubringen“, unterstreicht Marc Hähner. Ob Gelb- oder Weißgold, ob Farbstein, Perle oder Brillant, es geht darum, das Gestalterische mit dem Technischen zu vereinen. Der Goldschmiedemeister Marc Hähner hat daher nicht nur eine ruhige Hand und einen kreativen Kopf, er kennt sich auch bestens in Physik, Chemie und Mathematik aus, sonst käme er mit den verschiedenen Materialien gar nicht zurecht, die er jeden Tag verarbeitet.

ENGELBERT zeigt er, wie ein massiver Gelbgoldring mit viertelkarätigem Diamanten entsteht. Einen solchen kann man von ihm übrigens auch bekommen, wenn man beispielsweise ein altes Erbstück mitbringt, das vom Material her spitze, optisch aber, da vielleicht in den frühen Achtzigern gefertigt, jetzt nicht so der Knaller ist. „Diese Stücke schmelzen wir dann ein und verwenden das Gold für den neuen Ring.“ Es können aber auch bestehende Teile von alten Schmuckstücken direkt mit neuen kombiniert werden. Den Wunsch, alt und neu zu verbinden, hatten in den letzten Jahren viele Kunden von Marc Hähner. Geschmolzen wird das Gold bei Temperaturen von 900 bis 1.000 Grad. Hähner nimmt meist etwas mehr Material, als er am Ende benötigen wird, denn er weiß: Wenn es an das Schmieden und Feilen des Ringes geht, fällt immer ein bisschen was weg. Aber es fällt nicht runter, denn natürlich verwendet Hähner das wertvolle Rohmaterial Gold, das am Ende des Feintunings übrig ist, später wieder.

Das erhitzte Gold wandert durch eine Walze, ähnlich einer Nudelmaschine, und wird durch das mehrmalige Walzen und Verformen immer härter und fester. Deshalb muss das Gold zwischendurch immer wieder erhitzt und ausgeglüht werden, damit es zur Weiterverarbeitung weich und verformbar bleibt. Die Rundung selbst entsteht aber nicht, während das Gold noch heiß ist. Denn anders als beim Stahl, das in erhitzter Form biegbar ist, bricht das Edelmetall Gold, wenn es heiß wird verformt wird. Daher wird der Goldring kalt geschmiedet: Das abgekühlte Gold wird mit einem Spezialhammer um eine runde Metallstange geschlagen, bis ein Ring entsteht, dessen Umfang sich natürlich nach der Ringgröße der Kundin oder des Kunden richtet. Am Ende bleibt eine Fuge, die wegen der besseren Stabilität zunächst auch dann verlötet wird, wenn an Gerselben Stelle später ein Edelstein eingesetzt wird.

Die perfekte Rundung ist mit die größte Herausforderung für Marc Hähner, der mit einer Vielzahl von Feilen und später mit feinem Schmirgelpapier Stunde um Stunde den Ring bearbeitet – von
außen wie von innen. Dabei kann er auch die Oberfläche auf verschiedene Arten gestalten und strukturieren, zum Beispiel mit besonderen Mattierungen. Mit viel Fingerspitzengefühl wird ein kleines Stück für die Fassung des Edelsteines zunächst aus dem Ring ausgesägt, auch das wieder von Hand. „Wir könnten für manche Arbeitsgänge auch mehr auf Maschinen setzen, aber ich mache am liebsten so viel wie möglich von Hand“, sagt Marc Hähner, der selbst schon fast 30 Jahre Erfahrung als Goldschmied hat.

Die äußere Fassung des Edelsteins, ebenfalls aus Gold, wird nun wie ein Ring im Ring eingesetzt. Auch die innere Fassung, die den Edelstein hält, fertigt Hähner von Hand an. Bleibt der Stein selbst. Bei vielen Ringen ist er das Wertvollste. Der kleine Viertelkaräter, den Marc Hähner jetzt mit der Pinzette greift, ist von bester Farbe und in lupenreiner Ausführung. „Da ist wirklich Sorgfalt gefragt. Wenn so einer beim Einsetzen wegspringt, sucht man schon mal auf allen Vieren den Boden ab“, sagt der Goldschmiedemeister und lächelt. Zum Glück kommt das so gut wie nie vor.

Denn zu seiner Arbeit zählt letztlich nicht nur der Respekt vor den Wünschen der künftigen Ringträger, sondern auch vor dem Material. Sorgfalt ist das A und O. Nur so setzt man sich von der Masse ab und kreiert Einzigartiges. Für den Moment des Ja-Worts und all die Jahre danach. Oder für das Lieblingsschmuckstück, dass Sie oder Er immer wieder trägt. Mit dem Wissen, dass es sonst kein anderer hat.

Ein Artikel aus dem ENGELBERT Remscheid, Ausgabe 11.

Fotos: Sandra Juhr