PORTRÄT. Seit sechs Jahren frisiert die Solinger Hairstylistin Gönül Zarnekow bei den Golden Globes und Academy Awards in L. A. die Weltstars. Auch zu den Filmfestspielen in Cannes ist sie nun eingeladen.
„And the Oscar goes to…“ – „Und der Oscar geht an …“ Genau 24 Mal wurde dieser Satz am 2. März in Los Angeles gesagt, denn so viele Kategorien für den berühmtesten und begehrtesten Filmpreis der Welt gibt es. Eine Solingerin indes hat den Satz schon viel häufiger gehört. Und überhaupt müsste er für Hairstylistin Gönül Zarnekow genau umgedreht werden: „And she goes to … the Oscars!“ Denn seit sechs Jahren wird sie jedes Jahr zur Preisverleihung eingeflogen, um gemeinsam mit Stylisten und Visagisten aus aller Welt den Stars und Sternchen den perfekten Look zu verpassen. Gerade ist Gönül Zarnekow wieder aus L.A. nach Deutschland zurückgekehrt, und die nächste Anfrage gibt es schon: „Im Mai könnte ich auch in Cannes bei den Filmfestspielen dabei sein, mal schauen“, sagt die 45-Jährige, die Anfang Januar bereits bei den Golden Globes frisiert hatte – dem zweitwichtigsten Filmpreis Amerikas. Absoluten Weltstars hat sie mit ihrer Erfahrung und ihrem Können schon den richtigen Look kreiert, nach den Preisverleihungen traf sie sie dann bei den After-Shows: Händeschütteln mit Matt Damon, Abtanzen mit Milla Jovovich, fürs Foto posieren mit Al Pacino – ganz normal. Als sie letztes Jahr Brad Pitt und Angelina Jolie an einer Bar traf, vielleicht DAS Filmpaar überhaupt, spürte sie dann aber doch, wie ihr Herz klopfte: „Da war ich von den Socken.“ Wie aber hat sie es geschafft, dass sie inzwischen Angebote von amerikanischen Filmfirmen erhält, als feste Friseurin für Serienproduktionen zu arbeiten und Anfragen von Schauspielerinnen bekommt, die allein von ihr frisiert werden wollen? „Ich war zur richtigen Zeit am richtigen Ort“, lächelt sie und nimmt einen Schluck türkischen Tee in ihrem Stammrestaurant Fasil. Das liegt keine hundert Meter von ihrem Geschäft entfernt: Seit 23 Jahren ist Gönül Zarnekow mit idea-Haarmoden selbstständig, sie ist mit ihrem sechsköpfigen Team eine Friseur-Institution in der Solinger City. Und sie war schon immer daran interessiert, sich weiterzubilden, neue Trends zu entdecken, neue Stile zu finden – und zwar weltweit. Unter anderem bei Branchengrößen und -labels wie Tony & Guy und Vidal Sassoon. Vor zwölf Jahren flog sie erstmals nach Los Angeles zu einem Seminar des In-Friseurs Frederic Fekkai, der sein Geschäft auf dem Rodeo Drive führt. Dort lernte sie auch den Promifriseur Brett Alan Nelson kennen, bei dem die Stars ein- und ausgehen. Es vergingen sechs Jahre, ehe sich das Leben und Arbeiten für Gönül Zarnekow veränderte: „Eine Schauspielerin aus Köln brauchte eine Haarglättung. Die sollte ich machen, und zwar direkt in L. A., weil sie dort Filmaufnahmen hatte. Ich fragte also Nelson, ob ich das in seinem Geschäft machen dürfe“, erinnert sie sich. Es war gerade die Zeit der Oscarverleihung, und Nelson sagte zu. Unter einer Bedingung: Sie sollte ihm zur Hand gehen, als er Hollywood-Stars zur Oscar-Verleihung die schönsten Hochsteckfrisuren zauberte. Gönül Zarnekow muss lachen: „Damals war mein Englisch so schlecht, ich dachte, der will mich veräppeln oder ich hätte ihn nicht verstanden. Ich rief eine Freundin an, die dort lebte – und sie bestätigte das!“ Insbesondere ihr erster Einsatz in L. A. hat die Solingerin geprägt. „Das ist wie eine Traumwelt. Wir sind immer im Beverly Hills Hotel, das komplett abgeschirmt ist. Alles ist in Riesenaufregung, ein Wahnsinnstrubel. Und es ist verdammt viel Stress und Arbeit. Aber unglaublich toll. Als ich nach Hause kam, dachte ich, ich hätte nur geträumt. Und dieses Gefühl habe ich seitdem jedes Mal.“ Während vor den Kameras Nominierungen vergeben und Dankesreden gehalten werden, steppt hinter den Kulissen der Bär. Für den einen Auftritt vor einem Millionenpublikum weltweit muss alles sitzen. Und dabei beweist Gönül Zarnekow, dass sie natürlich nicht nur zur richtigen Zeit am richtigen Ort war. Sondern auch, dass sie einfach gut ist: „Es ist offenbar die Technik, die Art, wie ich mit den Händen arbeite, wenn ich die langen Haare der Damen hochstecke. Die Stars wollen bei ihren Haaren vor allem eines: Natürlichkeit. Und die gelingt mir ganz gut“, sagt die 45-Jährige. Diese gelingt ihr auch, wenn sie in Solingen Haarverdichtungen und -verlängerungen macht. Natürlichkeit: Diese Philosophie pflegt sie in ihrem Geschäft, wo sie auch eine Kosmetikerin beschäftigt, ebenfalls: „Wenn eine Kundin sagt, oh, jetzt sind meine Haare aber schön, bin ich fast beleidigt. Ich sehe immer den ganzen Typ. Ich will, dass die Frau in ihrer gesamten Erscheinung schön ist, und die Haare sind nur ein Teil davon.“ Letztlich ist es auch Gönül Zarnekows ruhige, fast zurückhaltende Art, die gerade im Stress und Trubel der Oscars und Golden Globes gut ankommt. Sie wirkt derart souverän, dass sich auch die aufgeregteste Oscar-Nominierte bei ihr für einen Moment fallen lassen kann, denn: „Ich sehe in diesen Momenten auch absolute Megastars nur als Kundinnen an.“ Zeit für Privates bleibt während der Tage in Los Angeles kaum, Tochter und Sohn bleiben während ihrer Gastspiele zu Hause bei der Oma. Wenn es Gönül Zarnekow während des Sommerurlaubs dann zurück nach L. A. zieht, sind die beiden dabei. Letztes Jahr machte sie zwischendurch noch einen Abstecher nach Las Vegas, frisierte dort auf einer Modenschau. Und selbst, wenn die Kameras nach den Shows schon aus sind und die Stars in den Top-Hotels noch bis tief in die Nacht feiern, steht dabei die Arbeit im Vordergrund: „Natürlich ziehe ich mir dann auch ein schickes Kleid an und feiere mit. Aber diese Partys dienen vor allem zum Netzwerken. Regisseure treffen Schauspieler, sprechen über neue Filme, und für mich ist jeder Kontakt wertvoll“, erzählt Gönül Zarnekow. Und wenn diese Kontakte Sandra Bullock oder Diane Keaton heißen, kann das so verkehrt ja nicht sein. Im Übrigen seien die Stars meist entspannt und einfach nett. Eine Solingerin in Hollywood – dieses Thema war in den letzten Jahren schon so mancher deutschen Tageszeitung und vielen Fernsehsendern einen Beitrag wert. Auch Angebote, ein neues Geschäft zu eröffnen, zum Beispiel in München oder Berlin, gab es schon. Aber Gönül Zarnekow ist eben durch und durch Solingerin: „Ich bin hier verwurzelt, habe hier meinen Laden, meine Kunden, meine Mitarbeiter und Familie.“ Und damit auch viel Verantwortung und Arbeit. Vielleicht ein Grund, warum Gönül Zarnekow noch nicht sicher ist, ob sie auch nach Cannes reisen soll. Die Golden Globes und Oscars 2015 stehen dagegen schon fest im Terminplan. Sie leert ihr Teeglas und sagt: „Da fehlen? Das kann ich mir gar nicht mehr erlauben!“
Ein Artikel aus dem Engelbert Solingen, Ausgabe 10. Fotos 1-3: Christian Beier / Fotos 4-5: Zarnekow