Mit dem PS-Stier zur Müngstener Brücke

Vom Lamborghini Aventador Roadster gibt es nur 800 Stück weltweit. Einer davon befindet sich in Remscheid. Wir haben den 770 PS starken Wagen getestet.

Es ist ein Geräusch, das im Tal der Wupper noch einige Minuten nachhallt: der Motor des Lamborghini Aventador SVJ Roadster. Der Sound des Zwölfzylinders klingt tief und laut, fast wie ein wildes Tier, das durchs Bergische Land wütet. Damit macht der Wagen seinem Namen alle Ehre. Das Wort Aventador geht auf den gleichnamigen Bullen zurück, der
im Oktober 1993 in der Arena von Saragossa besonders tapfer war. Mit diesem wilden Stier geht es hoch zur Müngstener Brücke.

Mühelos schlängelt sich das Auto durch die Kurven, Vorsicht ist trotzdem geboten. Der Aventador ist mit seinen 1,14 Metern so flach gebaut, dass er fast nicht über die Bremsschwelle kommt. Auf den Schotterparkplatz zu fahren, ist unmöglich. Es geht also durch die Schranke weiter zum Haus Müngsten.

Dort angekommen, wird schnell klar: Dieser Wagen zieht auch in Zeiten der E-Mobilität alle Blicke auf sich. Das ist kein Auto für Menschen, die nicht gesehen und angesprochen werden wollen. Im Gegenteil: Es eignet sich hervorragend dafür, neue Menschen kennenzulernen.

Nach ein paar vorsichtigen Blicken traut sich eine Familie mit zwei kleinen Kindern, nach einem Bild zu fragen. Ein junges Mädchen ist fasziniert und macht Fotos mit ihrem Smartphone. Auch die Gäste des Haus Müngsten scheinen durch den Motor-Sound aufmerksam geworden zu sein und kommen nach draußen, um das beeindruckende Auto zu bestaunen. „Die meisten Leute gucken interessiert und freuen sich, wenn sie so ein Auto auf der Straße sehen. Es gibt aber auch welche, die an der Ampel ganz bewusst weggucken, um dem Fahrer des Luxusautos bloß keine Aufmerksamkeit zu geben“, sagt Harun Göksus, Geschäftsführer vom ASG Autohaus in Remscheid. Seit zehn Monaten befindet sich der Aventador in seinem Bestand.

Markant, aggressiv, sportlich

Es ist schwer, dem Auto keine Beachtung zu schenken, allein schon wegen der Farbe. Hauptsache knallig lautet das Motto des italienischen Autoherstellers, dieses Modell ist in „Blu Cepheus“ getränkt. Das satte Blau sieht an diesem Tag aus wie der Himmel. Auch sonst ist der Aventador alles andere als dezent. Das Design ist typisch für einen Lamborghini – markant, aggressiv und sportlich.

Ein Hingucker sind die Flügeltüren, das Markenzeichen des Modells. Sie tragen zu der einzigartigen Ästhetik bei und können entweder mithilfe einer Fernbedienung oder per Knopfdruck an der Tür geöffnet werden. Ragen die beiden Flügel nach oben, eröffnet sich der Blick auf das Interieur des Wagens. Auch hier haben die Hersteller nichts dem Zufall überlassen. Das Innere beeindruckt ebenso wie das Äußere mit hochwertigen Materialien und moderner Technologie.

Bau eines Kunstwerks
Der Lamborghini Aventador wird in Sant‘Agata Bolognese, Italien, hergestellt. Die Produktion begann im Jahr
2011 und dauert bis heute an. Die Herstellung nimmt viele Stunden in Anspruch: Der Großteil der Karosserie besteht aus Kohlefaser, was dazu beiträgt, das Gewicht des Autos zu reduzieren und seine Leistung zu steigern.
Die Motoren werden von Hand zusammengebaut und getestet, um sicherzustellen, dass sie den hohen Leistungsstandards von Lamborghini entsprechen. Insgesamt dauert es etwa 35 Arbeitstage, um einen Aventador
zu bauen. Da jedes Auto nach den individuellen Wünschen des Kunden gebaut wird, kann die Produktion variieren.

Das geht schon beim Starten des Autos los: Das Triebwerk wird per Knopfdruck in Gang gesetzt, der Startknopf befindet sich wie bei einem Kampfjet geschützt unter einer roten Klappe. Das Armaturenbrett besteht aus verschiedenen Materialen wie Leder, Kohlefaser und Aluminium. Auch die Sitze und das Lenkrad sind mit Leder
bezogen. Hinter dem Lenkrad befindet sich in Zwölf-Zoll-Display, das Informationen wie Geschwindigkeit, Gang und Drehmoment angibt. „Eine perfekte Mischung aus italienischem Design und Handwerkskunst“, sagt Göksu.

Ein Wagen für Autoliebhaber

Es gehe bei dem Auto nicht darum, von A nach B zu kommen, so der Unternehmer. Das wird bei der Testfahrt schnell
klar. Es ist laut und ruckelig, entspanntes Fahren fühlt sich anders an, Musik hören ist nicht wirklich möglich. „Der Aventador ist für wahre Autoliebhaber gemacht, die es gerne sportlich mögen.“

Gemeinsam mit seinem älteren Bruder Hakan leitet er das ASG Autohaus, das der Vater 1989 in Remscheid gegründet hat, nun seit über zehn Jahren.

Die Brüder sind im Betrieb ihres Vaters groß geworden und haben schon früh eine Leidenschaft für schnelle und außergewöhnliche Autos entwickelt. 2008 kauften sie den ersten Sportwagen, einen Ferrari. Das lief so gut, dass sich
das Autohaus auf gebrauchte Sportwagen spezialisierte. Damit bedienen sie eine Marktlücke und sind weit über die Region hinaus bekannt.

Kunden aus Dubai, Frankreich und Italien haben ihre Autos in dem Remscheider Autohaus gekauft. Aber auch der Familienvater oder der 18-Jährige, der gerade seinen Führerschein bestanden hat, werden bei Familie Göksu fündig. „Wir haben 400 Autos im Bestand und finden für jeden Kunden das Richtige“, sagt er.

Der ikonischste Lamborghini

Ein Auto wie den Lamborghini hatte Göksus schon lange nicht mehr in seinem Autohaus stehen. Der SVJ Roadster ist auch unter Aventador-Modellen etwas Besonderes: Als Supersportwagen ausgelegt, ist er mit einem 6,5-Liter-V12-Motor ausgestattet, der auf 770 PS kommt. In nur 2,8 Sekunden beschleunigt er von null auf 100 km/h, die Höchstgeschwindigkeit liegt bei 350km/h.

Dass der Aventador auf Schnelligkeit ausgelegt ist, bewies er im Sommer 2018: Mit 6:44,97 Minuten erreichte er die bis dato schnellste Rundenzeit für straßenzugelassene Sportwagen auf der Nordschleife.

Das liegt auch an der fortschrittlichen Aerodynamik des Autos. Der Heckflügel ist verstellbar, sodass der Luftdruck im Auto beeinflusst werden kann. Verringert man den Luftwiderstand, wird der Wagen noch schneller. Dass der SVJ so wenig durchs Tal der Wupper kommt, liegt auch an dem geringen Gewicht. Um es möglichst gering zu halten, besteht das Auto größtenteils aus Kohlefaser. Im Vergleich zum Aventador S wiegt er 50 Kilogramm weniger, insgesamt kommt er auf 1525 Kilogramm.

Und wie es der Name schon verrät, kann auch das Dach abgenommen werden. Überraschenderweise funktioniert das nicht automatisch, sondern manuell – die beiden Dachhälften müssen in einer genauen Reihenfolge aus- und wiedereingebaut und vorsichtig verstaut werden. Nicht gerade praktisch, erhöht aber die Verwindungssteifigkeit des Wagens.

Exklusivität führt zu Wertsteigerung

Der Aventador SVJ wurde in limitierter Stückzahl produziert – es gibt nur 800 davon. Obendrein hat Lamborghini nach gut elf Jahren die Produktion des Aventador im Oktober 2022 eingestellt. Das trägt zur Exklusivität bei: „So ein Luxusauto ist eine hervorragende Wertanlage. Hier hält sich der Marktwert deutlich besser als bei einem gewöhnlichen Fahrzeug und übersteigt in manchen Fällen später sogar den ursprünglichen Hersteller-Listenpreis“, sagt Göksu.
Als der Roadster auf den Markt kam, kostete er um die 350.000 Euro, jetzt liegt der Wert bei über 700.000 Euro.

Trotz beeindruckender Zahlen hat das Modell neben dem hohen Preis auch Nachteile. Seine Größe zum Beispiel
führt dazu, dass es nur wenig Stauraum gibt – ein Grund, der gegen lange Reisen spricht. Ein weiterer ist die harte
Federung, die schnell unbequem wird. Einfach zu fahren ist er auch nicht, auf unebenen Straßen kann das tiefe Profil
schnell zum Problem werden.

Und dann ist da noch der hohe Kraftstoffverbrauch: 19,6 Liter verbraucht er pro 100 Kilometer. Das geht ins Geld, genauso wie Wartungs- und Reparaturarbeiten.
Dieser Wagen ist absolut kompromisslos. Aber er verkörpert alles, was einen Lamborghini ausmacht: Exklusivität,
Schnelligkeit, Leistung. Manchen gefällt das, manchen nicht. Hingeguckt wird aber trotzdem.

Danina Esau – ENGELBERT Redaktion