Durch die Zeit und um die Welt

Suzan Köcher, frisch gekürte Solingen-Botschafterin, und die 60er/70er Jahre. Das ist Symbiose, Lebenseinstellung und ein großes Glück für alle, die gute, handgemachte Songs lieben.

Nach dem Abitur stand für alle ihre Freunde die Berufswahl an. Für die heute 24-jährige Suzan Köcher nicht. Für sie war klar: Erstmal mache ich Musik. Denn die ist ihre Leidenschaft seit frühester Jugend. „Gott sei Dank war ich auf der Friedrich-Albert-Lange Schule“, erzählt sie schmunzelnd. Denn da wird Kreativität und Musikalität echt gefördert. In der fünften Klasse schmachtete sie selbst noch die Schülerbands an und beneidete die Mädchen, die da oben auf der Bühne standen. Flöte, Klavier und Gitarre hatte sie da schon drauf. Klar, dass sie bei der Musik-AG dabei war, aus der ihre erste Band, die „Strawberry Hunters“, hervorging. Fasziniert ist Suzan seitdem von der Musik der 60er und 70er Jahre. Ihre eigene Musik ist schwer in eine Schublade zu stecken. Psychedelischer Folk-Pop, der auch manchmal nach Chanson klingt – vielleicht so. Jedenfalls durchaus speziell – aber auch dafür gibt es eine riesige Szene, sagt Suzan, die eine türkische Mutter und einen deutschen Vater hat. Wichtig ist ihr, dass die Musik natürlich klingt. Hausgemacht, so wie früher. Und das lebt sie auch privat. In jedem Raum ihrer Wohnung steht ein Plattenspieler, außer im Bad. Weil das einfach authentischer klingt – nach früher. Und so sieht‘s bei ihr auch optisch aus. Viele alte Dinge hat Suzan Köcher auf dem Flohmarkt ergattert. ENGELBERT sitzt zum Interview in einem Biedermeier-Sofa und schaut auf ein altes Grammophon.

Seit einem Jahr studiert die Solingerin mit den roten Haaren Soziale Arbeit, jobbt im Cobra-Kino und im Haus der Jugend. Aber eigentlich dreht sich ihr ganzes Leben um die Musik. Das war schon immer so und wird sich vermutlich nicht ändern. Als sie den Solinger Musiker Julian Müller vor einigen Jahren kennenlernt, kommen nochmal ganz neue Eindrücke dazu. Er zieht sie rein in noch viel mehr Musik und lässt sie mit seiner Band „Palace Fever“ auftreten. Immer öfter spielt sie auf der Bühne, bald schon ihre eigenen Songs. Die entstehen überall, manchmal träume sie sogar eine Melodie, erzählt sie. Die muss dann ganz schnell aufgeschrieben werden. Oder wird – dann mal ganz modern – mit der App „Garage Band“ aufgezeichnet.

Anderthalb Jahre hat sie an ihrem ersten Album „Moon Bordeaux“ gearbeitet, bis es 2017 erschien. Auch auf Vinyl, versteht sich. Aber natürlich müsse man auch bei den Streamingdiensten zu haben sein, sagt Suzan. Aktuell ist das nächste Album dran – Ende des Jahres soll es erscheinen. Wieder beim Label „Unique Records“ aus Düsseldorf. „Die sind toll und lassen uns unsere kreative Freiheit“, schwärmt die Singer/Songwriterin. Am liebsten aber steht die 24-jährige auf der Bühne – mit Suzan Köcher‘s Suprafon. So heißt ihre Band. Angelehnt ist der Name an ein tschechisches Label; das schreibt sich allerdings mit „ph“. Auf 30 bis 40 Auftritte pro Jahr kommt die Truppe. Meist in Deutschland, aber auch Amerika stand letztes Jahr auf dem Plan. Da wird dann das Geld erspielt, das gleich wieder in die neue Produktion von Musik investiert wird. Denn das ist alles ziemlich teuer. Um so glücklicher ist Suzan, dass Schlagzeuger Jens Vetter hervorragend mit Video- und Fotokamera umgehen kann. „Pressefotos und Musikvideos können wir alle selbst machen.“ Ein Jackpot sind Auftritte auf Festivals, weil man dann so viele Menschen aus der Szene erreichen kann. Anfang des Jahres ist das so passiert beim „Orange Blossom Festival“ in Beverungen. Da standen schon mittags Tausende vor der Bühne. 

Solingen ist die Stadt der Cover-Bands, sagt Suzan, ohne das werten zu wollen. Umso stolzer ist sie, dass sie neulich auch für ihre eigenen Songs als Solingen-Botschafterin vom Oberbürgermeister ausgezeichnet worden ist. Eine echte Ehre. Und ihre Familie war auch mächtig stolz – „Das ist doch was!“, hieß es. Im Anschluss an die Verleihung stand die Band noch auf der Bühne und gab ein fantastisches Konzert. Bis zum nächsten in der Stadt dauert es deshalb noch etwas, denn man dürfte Solingen „nicht überspielen“. Selten und dann mit viel Gefühl, heißt da das Motto. 

Ein Artikel aus dem Engelbert Solingen, Ausgabe 32.
Foto: Christian Beier