Ein Banker auf leidenschaftlichen Abwegen

Es ist die Kombination aus diesem einzigartig-skeptischen Blick und einem bestimmten Tonfall, der lapidar-nachlässig klingen soll, aber die Zuschauer dennoch sofort alarmiert. Denn meistens passieren der jeweiligen Figur, die Christoph Maria Herbst verkörpert, gleich danach die übelsten Katastrophen.

Dass der Wuppertaler sich aber nicht nur im Fach Komödie zu Hause fühlt, ist dem TV-Publikum spätestens mit dem UfA-Doku-Thriller „Der große Fake – Die Wirecard-Story“ klargeworden. Herbst spielt darin den Wirecard-Vorstandsvorsitzenden Markus Braun und verkörpert dessen Unnahbarkeit und krankhaft-unsozialen Ehrgeiz mit einer solchen Leidenschaft, dass er während der Dreharbeiten aufpassen musste, sich nicht vollkommen in den österreichischen Banker zu verwandeln.

Ich glaube, ich war während der Dreharbeiten ähnlich unerträglich. Eine Figur lässt sich eben nicht einfach an- und ausknipsen. – Herbst

„Unser Kostümbildner hat mich in teuerstes Tuch gesteckt und mir eine Rolex verpasst. Rahmenlose Brille und Steve-Jobs-Rollkragen bewirken was. Ich wollte dann seine blauen Augen haben und so hat mir ein Schweizer Künstler perfekte Linsen angepasst. Alles das löst was aus in einem und damit habe ich mich dann auf die Reise begeben. Ich glaube, ich war während der Dreharbeiten ähnlich unerträglich. Eine Figur lässt sich eben nicht einfach an- und ausknipsen“, sagt Herbst.

Christoph Maria Herbst als Markus Braun in Wirecard.
©TV NOW/Gordon Muehle

So ganz fremd war Christoph Maria Herbst die Finanzwelt freilich nicht. Schließlich hat er als junger Bursche selbst mal eine Banklehre gemacht. Wie passt die eher nüchterne Finanzwelt mit der Leidenschaft fürs Theater zusammen, die der Schauspieler ebenfalls schon in jungen Jahren für sich entdeckt hat?

Herbst: „Spielen war mir immer schon wichtig. Wohlgemerkt ‚spielen‘, nicht ‚zocken‘, sonst wäre ich ja bei der Bank geblieben. Letztlich habe ich diese Lehre nur auf sanften Druck meiner Eltern hin gemacht: ‚Mach doch was Vernünftiges‘. Wissen Sie, so Leute wie Braun spiele ich lieber, als in Kauf zu nehmen, so geworden zu sein. Mein Personalchef bei der Bank prophezeite mir während meiner Ausbildung eine glänzende Karriere.
Er fiel hinten über, als ich ihm mitteilte, dass ich lieber Schauspieler werden möchte. Ich glaube, ich habe alles richtig gemacht. Den Banker hätte ich immer darstellen müssen, Schauspieler kann ich indes sein. Letztlich hat mein damaliger Chef mit seiner Prophezeiung Recht behalten.“

Bezug zum Bergischen ist geblieben

Von ungefähr kam die Liebe zum Theater bei Christoph Maria Herbst nicht. Schon als Kind begeisterte sich der Sohn katholischer Eltern, die auch seinen beiden älteren Schwestern den Zweitnamen Maria gaben, für das Theaterspielen. „Theater ist meine Wiege. Da komme ich her, dort habe ich künstlerisch laufen gelernt. Die Unmittelbarkeit, vor Menschen in einem Raum eine Geschichte zu erzählen, das Adrenalin, das bei allen gemeinsam einschießt, dieser Dialog, in dem man sich nicht nur auf der Bühne, sondern auch mit dem Publikum befindet, kann einen nur begeistern. Mich zumindest von Kindesbeinen an: Ich habe schon im zartesten Alter mit Backoblaten in der heimischen Küche die katholische Messfeier nachgespielt.“

Theater ist meine Wiege. Da komme ich her, dort habe ich künstlerisch laufen gelernt. – Herbst

Während seiner Bankausbildung war er an der Gründung des privaten Theaters in Cronenberg beteiligt, zu dem er immer noch einen – zumindest virtuellen – Bezug hat: „Aus der Ferne verfolge ich die Aufs und Abs. Leider schaffe ich es zu selten in meine alte Heimat, um mir dort auch mal wieder etwas anzuschauen. Zurzeit ja eh nicht. Was bleibt, ist auf jeden Fall Dankbarkeit, denn dort habe ich das Meiste gelernt: wie es geht und wie nicht.“

Text: Marcus Italiani / Beitragsbild: ©TVNOW/Gordon Muehle