Hand aufs Herz: Wer hätte nach Pandemie, Jahrhundertflut und viereinhalb Jahren Stillstand noch einen Pfifferling auf dieses Projekt gesetzt? Wahrscheinlich nur die Unverwüstlichen selbst, die mit einer Mischung aus Trotz und Leidenschaft das fast Unmögliche geschafft haben. Ein Stück Geschichte auf Schienen in der Kohlfurth zwischen Solingen und Wuppertal.
Wir befinden uns in einer Zeitkapsel: edle Hölzer, glänzendes Chrom und der Duft von Leder umhüllen uns. Draußen zieht die wunderschöne bergische Landschaft vorbei, während es drinnen charmant quietscht und rattert. Dies ist nicht einfach nur irgendeine Straßenbahn, sondern der Triebwagen 94, Baujahr 1928. Das Herzstück der Bergischen Museumsbahn. „Früher fuhr die bessere Barmer Gesellschaft damit vom Toelleturm nach Ronsdorf oder Cronenberg“, erzählt Guido Korff, Vorstandsmitglied und Schatzmeister des Vereins, und streicht beinahe zärtlich über die polierte Holzwand.
Korff ist einer der engagierten Macher des Vereins. Schon seit seiner Jugend brennt er für die Bergische Museumsbahn und hat trotz aller Herausforderungen seinen erfrischenden Humor beibehalten. Die letzten Jahre waren eine Zerreißprobe für den Verein, der Deutschlands kleinsten konzessionierten Straßenbahnbetrieb betreibt. Nach der Pandemie und der verheerenden Flut schien der Zug endgültig abgefahren zu sein. Doch wer die Menschen in der Kohlfurth kennt, weiß: aufgeben ist keine Option. Seit April dieses Jahres rollen die Bahnen wieder – und die Geschichte ihrer Wiederauferstehung ist ebenso fesselnd wie eine Fahrt durch das malerische Kaltenbachtal. Es kam eine Hiobsbotschaft nach der anderen: Zunächst die Zwangspause durch die Pandemie, dann die Flut im Juli 2021, die das Depot und die wertvollen historischen Fahrzeuge unter Wasser setzte. Über einen halben Meter hoch stand die braune Brühe auf dem Gelände und in den Gebäuden, die nicht nur Werkzeuge und Akten fortspülte, sondern auch die Seele des Vereins. Doch als wäre das nicht genug, legte die Aufsichtsbehörde den Betrieb lahm. „Unsere Fahrleitungsanlage wurde beanstandet, und 20 Masten mussten ausgetauscht werden“, erinnert sich der promovierte Diplom-Ökonom. Eine Mammutaufgabe für den ehrenamtlich getragenen Verein. Es folgte ein zäher Kampf mit der Bürokratie. Die geforderte Dokumentation der Maßnahmen stellte die nächste Hürde dar.„Wir haben uns da schwergetan, die Anforderungen umzusetzen“, gibt Guido Korff unumwunden zu. Viereinhalb endlose Jahre des Stillstands, in denen sich mancher fragte: „Wofür arbeite ich hier?“
Neben den Naturgewalten hatte der Verein auch mit Metalldiebstahl zu kämpfen. Mehrfach kletterten Kriminelle auf das Gelände, um den kupfernen Fahrdraht zu stehlen. Der materielle Gewinn war gering, der Schaden jedoch enorm. „Die Diebe riskieren viel für 3.000 bis 5.000 Euro, während der Schaden bei uns in die Zehntausende geht.“ Kreativ und konsequent reagierte der Verein: Wege wurden gesperrt, und der neue Fahrdraht mit künstlicher DNA markiert – eine unsichtbare Flüssigkeit, die unter UV-Licht den rechtmäßigen Eigentümer enthüllt. So haben Diebe kaum noch eine Chance.

Im Frühjahr 2025 endlich grünes Licht: Am 13. April rollten die historischen Bahnen wieder. Ein Moment, auf den die Vereinsmitglieder und ihre Unterstützer hingearbeitet hatten. Die Fahrgäste kamen in Scharen. „Man hat gemerkt, dass die Fahrgäste uns vermisst haben“, strahlt der Vereinschef. An Pfingsten sprengten die Besucherzahlen die Kapazitätsgrenzen, die Menschen standen Schlange. Ein überwältigender Erfolg, der dem Verein nach der langen Durststrecke dringend benötigte Einnahmen beschert. Doch klar ist auch: „Die Fahrgeldeinnahmen und Mitgliedsbeiträge reißen es nicht raus.“ Ohne Spenden und Fördermittel sind Fahrzeugrestaurierungen oder die Streckensanierung undenkbar. Aber: Der Erfolg am Gleis ist die beste Werbung für die Notwendigkeit dieser Unterstützung. Schließlich fließen Spenden eher, wenn die Bahn fährt.
Die ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind Herz und Seele des Vereins. Sie widmen ihre Freizeit dafür, ein Stück Technikgeschichte am Leben zu halten. Ob es der leidenschaftliche Schlosser ist, der fast jedes Ersatzteil nachbauen kann, oder das Team, das sich um den Grünschnitt entlang der Strecke kümmert – sie alle tragen ihren Teil bei. Doch wie in vielen Vereinen macht sich auch hier eine Sorge um die Zukunft breit. „Wir haben Schwierigkeiten, jüngere Menschen für handwerkliche, zeitaufwendige und weniger digitale Tätigkeiten zu gewinnen“, gesteht der 67-Jährige. Die Wiederaufnahme des Fahrbetriebs bringt jedoch neues Interesse mit sich, und der Verein plant, sich aktiver bei Veranstaltungen zu präsentieren. Interessanterweise fehlt es besonders an weiblicher Unterstützung in den technischen Bereichen. Frauen als Fahrer oder in technischen Rollen? Fehlanzeige. Es gibt zwar Frauen in „typischen Frauenfunktionen“, doch das Interesse an handwerklichen Tätigkeiten ist gering. Eine potenzielle Kandidatin für die Fahrerausbildung ist jedoch in Sicht. Die Botschaft ist klar: Weibliche Vereinsmitglieder sind herzlich willkommen. Aber nicht nur Frauen.
Die Verlängerung der Strecke bis nach Möschenborn ist ein lang gehegter Traum. Die Genehmigung liegt vor, aber das Projekt gestaltet sich als komplex. Der zentrale Punkt ist eine neu zu bauende Haltestelle, gegen die es Einwände von Anliegern gibt. Guido Korff: „Das Verfahren hat eine Weile geschlummert, aber wir haben es vor wenigen Wochen wieder aufgenommen.“ Ein weiteres Beispiel für den langen Atem, den der Verein braucht.
Eine Fahrt mit der Bergischen Museumsbahn ist mehr als nur eine historische Exkursion. „Wir bieten hier ein Erlebnis, das auch ohne die Geschichte einfach Spaß macht“, sagt der Straßenbahnenthusiast. „Es ist lebendig, es quietscht, es wird geklingelt, und die Fahrscheine werden mit der Zange geknipst. Das lieben die Kinder.“ Dank des unermüdlichen Einsatzes von Menschen wie Guido Korff ist dieses Kulturgut nicht im Abstellgleis der Geschichte gelandet. So verlässt man den legendären Triebwagen 94 mit einem Gefühl der Zuversicht: Diese Bahn hat noch lange nicht ihre Endstation erreicht.

Infos:
Was: Historische Straßenbahnfahrten durchs Kaltenbachtal
Wann: Saison von April–Oktober, jeden 2. und 4. Sonntag im Monat, 11 bis 17 Uhr
Wo: Kohlfurther Brücke 57, 42349 Wuppertal
Tickets: Hin und zurück 7 €, Tageskarte 15 €. Kinder bis 16 Jahre fahren gratis
www.bmb-wuppertal.de
Holger Bernert
Alle Fotos: Holger Bernert
