Ihre Kunst geht unter die Haut

Die Solingerin Angelina Mengel ist eine begnadete Tätowiererin und nach drei Jahren schon ein Star der Branche. Allein auf Facebook hat sie 60.000 Fans. Und ist auf dem Boden geblieben.

Bei einer Castingshow für Tätowierer des TV-Senders Sixx hat sie im letzten Jahr den zweiten Platz belegt. Bewerben musste sie sich vorab nicht, sie wurde für die Show ausgewählt. Wenn sie am 1. April und 1. Oktober ihre Termine für das jeweils nächste Halbjahr vergibt, bekommt sie zwischen Mitternacht und 0.30 Uhr ein paar hundert Mails. Wer zu spät kommt, muss warten. Auf Facebook hat sie über 60.000 Fans. Die Solingerin Angelina Mengel ist ein Star in der Tätowiererszene, und ihr wunderschönes, 400 Quadratmeter großes Studio „TattooKunstwerk“ auf der unteren Hauptstraße trägt seinen Namen zurecht.

Dass die 31-Jährige bei allem Erfolg so auf dem Boden geblieben ist, könnte auch daran liegen, wie weit dieser Weg zum Erfolg für sie war. Und wie hart die letzten gut drei Jahre waren, als sie sich von einer Nageldesignerin zu einer Designerin an der Nadel entwickelte. „Das lief eigentlich ganz erfolgreich damals mit dem eigenen Nagelstudio. Aber es hat mich künstlerisch nicht mehr erfüllt. Ich bin jemand, der immer wieder etwas Neues erschaffen muss. Vielleicht, weil ich aus einer Künstlerfamilie stamme. Meine Eltern, Großeltern, Urgroßeltern haben alle gemalt. Auch ich, noch ehe ich schreiben konnte. Vor allem Porträts. Also dachte ich mir: Probierst du es doch mal mit dem Tätowieren.“ 

Aus heutiger Sicht eine ziemlich gute Entscheidung, wenngleich am Anfang so mancher ihr sagte, das werde eh nichts, und sie das Tätowieren erst einmal erlernen und dann mit ihrem Nagelstudio querfinanzieren musste. Das aber entfachte erst ihren Ehrgeiz. Sie stürzte sich in Arbeit, Arbeit, Arbeit. Die sich ausgezahlt hat, zumal sie ihr Zeichentalent mit dem Geschick an der Tätowiernadel perfekt kombinieren kann. Ihre Kunden sind bereit, monate-, wenn nicht jahrelang zu warten, um sich von ihr eines der Porträts stechen zu lassen, die so realistisch wirken, als seien es Fotografien. Manche zeichnet sie selbst, aber auch ein (qualitativ sehr gutes) Studiofoto reicht ihr als Vorlage aus. „Ich finde das Zeichnen und auch Tätowieren von Porträts unglaublich spannend. Es ist auch immer ein kleiner Wettkampf mit mir selber. Schaffe ich es, einen Menschen, seine Augen, seine Hände, so wiederzugeben, wie sie sind? Und dass die Menschen dann den Rest ihres Lebens ein Stück von mit mittragen und das auch mit ins Grab nehmen. Ich kann mit den Bildern sehr viele Menschen glücklich machen.“ 

Tattoo und Alter – ein Thema, das viele Menschen skeptisch sehen, da sie sich fragen, wie die Hautbilder wohl aussehen, wenn der Unterarm mit Ende siebzig nicht mehr so straff ist wie heute. Angelina Mengel sieht es lockerer.
„Klar sagen manche Leute: Wie das wohl im Alter aussieht? Ich sag‘s mal so: Faltig und alt werden wir alle. Dann sind halt im Alter ein paar Menschen im Altersheim ein bisschen bunter als die anderen. Und sehen einfach cooler aus.“ Die meisten ihrer Kunden sind zwischen 20 und 40 Jahren, aber es kommen auch Omas, die sich das Porträt ihres Enkels tätowieren lassen möchten. Oder Menschen, die einen Schicksalsschlag verarbeiten wollen – mit einem Tattoo. Angelina Mengel versucht dann immer, das Negative ins Positive zu drehen. „Einmal kam eine Kundin nach einer Fehlgeburt. Sie hatte ein Foto aus dem Internet mit, es zeigte eine Frau, es zeigte Tränen. Ich hab gleich gesagt, das machen wir nicht. Am Ende wurde es ein kleines Kind mit einem riesigen Teddybären, das in einen bunten Wald mit Schmetterlingen hineinspaziert.“

Es sind Ideen wie diese, und es ist die kongeniale Umsetzung, die Angelina Mengel und ihr „TattooKunstwerk“ so erfolgreich machen. Und es ist ihre uneitle Art. Sie kann und will gar nicht jeden Stil bedienen. Auch deshalb lädt sie jedes Jahr bis zu 30 Gasttätowierer aus aller Welt an die untere Hauptstraße ein, sie kommen aus Amerika oder Russland, und sie alle bringen ihre eigene Stilrichtung mit. Und beleben so nicht nur das Geschäft, sondern auch die Einkaufsstraße selbst. Die im Übrigen besser sei als ihr Ruf, findet Angelina Mengel. „Ich sehe hier unten so viele Menschen, es ist doch immer was los auf der Hauptstraße. Noch ein, zwei Läden so wie unserer und es sähe hier noch einmal anders aus.“ Angelina Mengel jedenfalls hat mit ihrem „TattooKunstwerk“ alles richtig gemacht. Und sie hat ja eigentlich gerade erst angefangen. Nach der Show auf Sixx klopfte RTL für einen Beitrag an, mit einem großen Farbenhersteller arbeitet sie gerade an einer eigenen Farbserie für ihre Tattoos. Sie kann ihren Kunden die faszinierendsten Motive auf die Haut zaubern. Aber eins kann sie ihnen niemals nehmen – die Schmerzen.

„Es tut weh. Immer, egal wo. Mein Tattoo auf dem Hals, ja, da hat es sehr, sehr wehgetan. Und man fragt sich dann auch immer, warum macht man das eigentlich?“ Dann sehen die Kunden von Angelina Mengel das Ergebnis von langem Warten und tapferem Auf-die-Zähne-Beißen. Und freuen sich, statt zu fragen.

Ein Artikel aus dem Engelbert Solingen, Ausgabe 24.
Fotos: Christian Beier