Modernes Ritterleben

Das Paradies – anders kann man die großzügige Anlage des Hotspots Schloss Burg wohl nicht nennen. Nach dem Aufstieg betritt man die mächtige Anlage durch das steinerne Burgtor, geht am Fuß des Schlosses durch die engen Gassen, vorbei an Cafés, Restaurants und Touristenläden, bis man vor einem kleinen weißen Küsterhaus, gleich neben der St. Martinus-Kirche, steht.

Das Leben in der abgelegenen Idylle

Hier leben Birgit und Wolfgang Guenther seit 15 Jahren und haben sich von hektischen Stadtmenschen zu erfinderischen Managern der dörflichen Bergidylle gemausert. „Man muss sich schon umstellen. Und merke: Wenn du einkaufen willst, mache dir einen Zettel“, sagt der 62-Jährige, und seine freundlichen Augen leuchten schelmisch auf.

Touristen bezahlen für diesen Ausblick. Die Guenthers wohnen hier.

Dann atmet er hörbar ein, um den ungemütlichen Fall der Fälle zu beschreiben: „Die Regel lautet: Hast du
was vergessen, fährst du weit. Und der ÖPNV ist hier ausbaufähig. Zugabe im Winter: Man kommt bei viel Schnee einfach nicht aus dem Schloss raus. Es gibt dann keinen Winterdienst. Ohne Schneeketten hat man keine Chance. Mittlerweile haben wir einen Geländewagen.“ Das macht wohl Sinn, denn der nächste Supermarkt befindet sich in Wermelskirchen – um mal eben ein paar Tomaten zu besorgen, ein deutlich zu weiter Marsch. Aber auch das nützliche Allrad-Gefährt schützt nicht vor misstrauischen Blicken oder Fragen.

„Es ist meist amüsant, aber auch manchmal müßig, wenn man jedem erklären muss, dass man deshalb nicht auf den Besucherparkplatz fährt, weil man zu seinem Haus will“, sagt Wolfgang Guenther.

Doch seine Frau weist umgehend auf die angenehmen Seiten des Lebens im Zentrum einer großen Sehenswürdigkeit hin: „Wenn ich die Fensterläden aufmache, dann stehen schon die ersten Leute da und wollen etwas plauschen. Das ist eigentlich ganz schön. Manchmal denken sie auch, ich würde einen Verkaufsstand öffnen, das ist schon witzig“, sagt Birgit Guenther kopfschüttelnd und grinst.

An ein Haus auf dem Schlossgelände gelangen

In diesem Haus fanden Wolfgang und Birgit ihr persönliches Paradies.

Dass die beiden seit 2007 auf der Burganlage wohnen, ist nur teilweise ein Zufall. „Ich habe seinerzeit für eine Geschichtsarbeit recherchiert, die sich ‚Kreuz und Schwert im Bergischen Land ‘ nannte. Im Rahmen dieser Arbeit lernte ich einen Kirchenvorstand von St. Martinus kennen, der Gemeinde auf Schloss Burg, die zufälligerweise einen Küster suchte. Das konnte ich mir gut vorstellen, da ich der Kirche immer nahestand. Daher habe ich mich beworben. Als ich in die engere Auswahl gelangte, habe ich mir das Haus hier oben auf der Burg neben der alten Malteserkapelle mal angeschaut und war sofort begeistert.
Diese Aussicht ist unbezahlbar, die Möglichkeit, von hier oben aus an der Malteser-Geschichte zu schreiben und gleichzeitig der Gemeinde zu dienen, war einfach schlüssig.
Meine Frau sah das genauso – also unterschrieben wir einen Vorvertrag für das Haus.“

Doch dann kam es anders als geplant

Was beide nicht ahnten: Es gab einen Mitbewerber für Küsteramt und Küsterhaus, der am Ende die besseren Karten zu haben schien und die Stelle ergatterte. „Aber er hatte eben keinen Vorvertrag und musste daher in ein anderes Haus ziehen. Schade, dass ich die Stelle nicht bekommen habe. Es hätte mir Spaß gemacht, und mein Angebot steht immer noch“, sagt Guenther in der Rückschau bedauernd.
Daher zog man zunächst ein, freundete sich mit den Gastronomen und Geschäftsleuten an und ist mittlerweile aus der „Burggemeinschaft“ nicht mehr wegzudenken. Aktionen wie „Die längste Bank in Burg“, bei der ein 22 Meter langes Sitzmöbel gleich an der Burgmauer aus Naturholz Touristen und Wanderer in Verzückung versetzte, oder der Ostereierlauf auf der Burg sorgten nicht nur für Betrieb und bunte Flecken im mittelalterlichen Panorama, sondern auch für gute Presse.

Die Liebe zur Malteser

Und darin ist Guenther Experte, schließlich diente er den Maltesern neben seinem Einsatz im Rettungsdienst der Malteser viele Jahre lang im Bereich Öffentlichkeitsarbeit für Solingen. „Pressereferent bin ich seit der Umstrukturierung der Malteser vor etwa fünf Jahren nicht mehr“, sagt er mit einem Anflug von Bedauern in seiner Stimme.

Aktuell betreut er den Telefon-Besuchsdienst für die Ordensvereinigung. „Wir rufen unsere älteren und alleinstehenden Mitglieder an und fragen, wie es ihnen geht, führen Alltags Gespräche mit ihnen, hören einfach nur zu. Es geht darum, niemanden alleine zu lassen. Einsamkeit kann etwas Furchtbares sein. Dieser Dienst ist aber keine Telefonseelsorge. Sobald es in diese Richtung geht, raten wir, ein entsprechendes Angebot anzunehmen“, stellt der Mann, der seit 48 Jahren das Malteserkreuz auf der Dienstkleidung trägt, entschieden fest.

„Zudem habe ich die ‚Malteser Garde im Bergischen Land Graf Engelbert ‘ gegründet. Wir machen all das, was mit dem Rettungsdienst nichts zu tun hat. Einkaufen für ältere Menschen zum Beispiel. Oder wir unterstützen die Gemeinden bei ihren Wallfahrten, leisten Hospizdienst, organisieren den Malteserball und vieles mehr.“
Dabei stünde die Maltesergarde aber nicht in Konkurrenz zu den örtlichen Malteser-Niederlassungen, sondern handele grundsätzlich nur nach gemeinsamer Absprache, fügt Birgit Guenther hinzu.
Die 52-Jährige arbeitet als Referentin in Köln für die „Deutsche Assoziation des Souveränen Malteser Ritterordens“ und betreut dort viele bundesweite und internationale Projekte wie Jugendtage oder Staatsbesuche.

Alltag und Freizeit auf dem Schlossgelände

Ein ganz anderes Leben, das seinen entschleunigenden Kontrast auf der Stammburg derer von Berg findet, wo Birgit Guenther leidenschaftlich ihren Kräutergarten pflegt, Sauerkraut selber macht oder Marmelade in der eigens angefertigten Outdoor-Küche einkocht. Vorbereitet war sie auf dieses Leben nicht, aber die Liebe der beiden Malteser hat in Form ihres Domizils sprichwörtlich neue Höhen erklommen.

“Es ist immer wieder schön, an diesen wunderbaren Ort zu kommen und zu denken: Hier bin ich tatsächlich zu Hause.” – Birgit Guenther

Dabei wollte Birgit eigentlich mal einen anderen: „Ich habe Wolfgang 1990 in einer Kölner Studentenkneipe getroffen. Eigentlich hatte ich ein Auge auf seinen Freund geworfen, aber Wolfgang hat nun mal etwas, das andere nicht haben. Er war immer schon sehr engagiert bei den Maltesern, da war schnell klar, dass man um diese Leidenschaft nicht herumkommt. Irgendwann bin ich dann eben mal mitgegangen und habe schnell gewusst:
Man kann so viel Gutes bei den Maltesern tun, das auch Spaß macht.
Zunächst habe ich nach meiner Ausbildung als Notariatsgehilfin beim Erzbistum Köln gearbeitet. Irgendwann entdeckte Wolfgang eine Stellenanzeige des Malteser Hilfsdienstes, der eine neue Vorstandssekretärin suchte. Nach über 20 Jahren bin ich dann zum Orden gewechselt.

Seit 15 Jahren wohnen die beiden auf dem Schlossgelände.

Und hier sind wir. Es ist immer wieder schön, an diesen wunderbaren Ort zu kommen und zu denken: Hier bin ich tatsächlich zu Hause.“ Das ist vor allem nach 18 Uhr der Fall, wenn die Touristen weg sind, sie die herrliche Umgebung mit der üppigen Flora und Fauna genießen kann, an der Feuerstelle im Garten sitzt und ihrem Mann dabei zusieht, wie er hinter seiner eigens gebauten hölzernen „Palavertür“ eine neue Folge von „Guenni TV“ einspricht, einem Format, das zwar noch keine kommerziellen Erfolge aufweist, aber exakt so ist wie die Guenthers: echt bergisch, echt Burg!