Spiel Satz Sieg Lux!

Spitze der Tennis-Weltrangliste? Andrew Lux aus  Wermelskirchen hat es geschafft.
In der Altersklasse 40 ist er vor allem im Doppel ein echtes Ass.

November 2018 in Miami. Sommer. Hitze. Schwüle. Und er mittendrin. Im Halbfinale gegen Frankreich. Zwei Siege entfernt vom Weltmeistertitel mit dem deutschen Team in der Altersklasse 40. Dann der Dämpfer. Es soll nicht sein mit dem WM-Sieg. Doch die zwei Wochen in Florida wird Andrew Lux trotzdem in bester Erinnerung behalten. Auch, weil er bei der Mannschafts-WM diesmal Teamkapitän war. Und, weil es ihn wieder einmal bestätigt hat, wie gut vor knapp sechs Jahren die Entscheidung war, mit dem Turniertennis wieder anzufangen. Denn er kann es: Weltranglistenerster im Doppel, Weltranglistenvierter im Einzel in der Altersklasse 40. Ja, richtig gelesen. Und das als Hobbyspieler! So, und jetzt also gleich mal die Gretchenfrage: Hätte der Wermelskirchener, der am Ernst-Moritz-Arndt-Gymnasium sein Abitur gemacht hat, denn nicht Profi werden können? Bei dem Talent?

In der Tat sah es nach dem Abi, mit Anfang zwanzig, für ihn ein bisschen so aus. Lux ging nach Virginia an die US-Ostküste, für dreieinhalb Jahre, er hatte ein Stipendium bekommen. Dort kombinierte er das Studium mit dem Sport, spielte für seine Uni Tennis, verdiente sich was dazu, trainierte dafür drei bis vier Stunden – täglich. Lernte auch Menschen wie James Blake kennen, der es später tatsächlich bis auf Rang vier der Herren-Weltrangliste schaffte. „Aber für mich war das immer nur ein Hobby“, unterstreicht Lux, der heute, mit 40 Jahren, als selbstständiger Projektmanager erfolgreich ist.

Und das klingt nicht wie: Okay, ich muss es mir schön reden, sondern es klingt wie: Nee, das Leben auf der Tour, das wäre wirklich nichts für mich gewesen. Dieses Tourleben, er hat es verfolgen dürfen, denn nach dem Studium war Andrew Lux einige Jahre lang international für die Sportartikelhersteller Adidas und Head im Marketing tätig und bekam mit, wie das so läuft, wenn man in die Weltspitze will: Reisen, reisen, reisen, Hotel, Tennisplatz, Hotel, Tennisplatz, immer Einsamkeit. Und: „Letztlich verlierst du ja jede Woche.  Und du verlierst alleine.“

Stimmt, das macht man sich ja als Laie gar nicht so bewusst: Wer jede Woche ein Turnier spielt und davon im Jahr vier gewinnt, was ja nicht schlecht ist, hat aber auch gleichsam 48 mal verloren. Entweder in Runde eins oder im Finale. Beides immer wieder bitter. „Ständig diese Höhen und Tiefen – das grenzt schon ein bisschen an Selbstvernichtung“, findet Andrew Lux. Es gab eine Zeit, in der er kaum zum Schläger griff, in der er nur in seinem Job arbeitete, bis er sich irgendwann fragte: So, Mitte dreißig. War es das jetzt mit dem Sport? Fehlt dir da nicht irgendwas?

Ja, es fehlte was. Lux begann noch einmal zu studieren, spielte zum Ausgleich Tennis, trainierte wieder bis zu fünfmal die Woche, nahm an ersten Turnieren teil, gewann sie und stellte fest: Arthrose im Knie hin oder her, da geht noch was. „Und so eine Seniorentour mit eigener Wertung und Rangliste ist natürlich auch ein großer Reiz“, stellt der 40-Jährige klar. Als die erste Einladung zur Senioren-WM kam, zögerte er nicht lange. Am liebsten spielt er Doppel, er mag das Teamplaying und er mag es auch, sich immer wieder dem Druck des Wettkampfs zu stellen. So wie bei der WM in Florida, wo Andrew Lux entweder selbst auf dem Platz stand oder in den Seitenwechsel-Pausen coachte. 14 Tage Aufenthalt, 13 Tage Wettkämpfe. „Mal erlebst du dabei einen richtigen Flow, dann läuft einfach alles. Und wenn es anders kommt und du einen Matchball gegen dich hast und über den zweiten Aufschlag kommen musst, natürlich ist das Druck. Aber du lernst, damit umzugehen. All das hilft dir, auch für deinen Job, auch dafür, wie du mit Situationen und Menschen umgehst.“ Herausfordernd ist es auch, wenn während eines Doppelmatches der Partner mal eine Zeitlang nichts auf die  Reihe kriegt. Lässt man sich dann mit runterziehen? Schafft man es, den anderen wieder aufzubauen und zugleich sein eigenes Spiel beizubehalten? „Wenn du ein echter Teamplayer bist, dann baust du deinen Partner auch wieder auf“, sagt Andrew Lux, der die Herausforderungen liebt. Diesen kann er sich auch immer wieder nach Belieben stellen, da er heute selbstständig und meist in Projekten arbeitet.
Er trainiert inzwischen wieder bei seinem Heimatverein in Wuppertal und spielt Turniere dort, wo es ihm gefällt. Mal in Europa, mal weiter weg, oft so, dass er noch einen Urlaub dranhängen kann.

Das Schöne ist: Das kann Andrew Lux, wenn er will und wenn er fit bleibt, auch noch lange so machen. Denn es gibt sogar eine Seniorentour in der Altersklasse bis 85 Jahren. Und da, so hat Lux es schon selber gesehen, geht auf dem Platz aber mal richtig die Post ab.

Gut möglich also, dass im Jahr 2062 ein älterer Herr mal wieder einen Pokal hoch hält, der damals, vor über sechzig Jahren, eine gute Entscheidung getroffen hat: Sein Hobby nicht zum Beruf zu machen. Weil er sich so die Leidenschaft bewahrt hat.

Ein Artikel aus dem ENGELBERT Remscheid, Ausgabe 18.
Foto: Andrew Lux