Streifzug durch die bergische Brauereigeschichte

Neben Dortmund gehörte das bergische Städtedreieck zu den wichtigsten Brauereistandorten Deutschlands. Doch von der ehemals blühenden Braulandschaft ist fast nichts mehr übrig. Ein historischer Rückblick.

Vor allem die hügelige Topographie des Bergischen Landes hat dafür gesorgt, dass in diesem Landstrich besonders
viele Brauereien ansässig waren. Niemand wollte die teilweise steilen Berge rauf- und runterkraxeln, um an den schäumenden Gerstensaft zu gelangen. Also entstanden im Laufe der Zeit an jeder zweiten Ecke Hausbrauereien. Und in Wuppertal, Solingen und Remscheid auch zahlreiche Großbraustätten. Damals war der Bierdurst der Menschen kaum zu stillen.

Wuppertal

Zwischen 1780 und 1996 produzierten knapp 180 kleine, mittelständische und große Brauereien zwischen Vohwinkel und Rittershausen das überaus begehrte Bier. In der Hochzeit des Bierkonsums in den 1920er–Jahren, buhlten 80 Brauereien im Tal der Wupper um die Gunst der Bierliebhaber. Für jeden Geschmack gab es das passende Bier. Neben Elberfeld gehörte Barmen zu den wichtigsten Brauereistandorten im Rheinland und in Westfalen. Namen wie
Johann Christoph Küpper, Carl Bremme oder Franz Joseph Wicküler sind eng mit dieser Tradition verbunden. Doch neben den großen Namen gab es noch die Dierichs-Adler-Brauerei, Tienes, Gesenberg, Waldschloß oder Feldschloß, die Mitte des 19. Jahrhunderts ein knapp eine Woche haltbares Dünnbier brauten. Erst die zur damaligen Zeit sehr innovativen Brauer in Elberfeld und Barmen übernahmen die schon im fernen Bayern fortschrittliche Brautechnik und
revolutionierten die Bierherstellung im Tal. Dies war gleichzeitig der Startschuss für die industrielle Bierherstellung.

Solingen

Die letzten Brauereipferde der Solinger Brauerei C. Beckmann ©Stadtarchiv Solingen

Bereits Mitte des 18. Jahrhunderts wurde in Solingen Bier gebraut. 1753 stellte die Brauerei C. Beckmann erstmalig ein mehr oder weniger schmackhaftes Bier nach dem deutschen Reinheitsgebot her. Schon damals besaß die Eigentümerfamilie sehr viele Häuser mit Gaststätten. Über Bierlieferungsverträge mit den Wirten half die Brauerei bei der Einrichtung der Kneipe – eine Strategie, die in der Branche auch heute noch sehr beliebt ist. Ein Jahr vor der Jahrhundertwende eröffnete die Brauerei C. Beckmann einen weiteren Standort: In direkter Nachbarschaft nahm die Ohligser Aktienbrauerei 1899 ihren Betrieb auf. Und 1920 übernahm der prosperierende Großbrauer die Vereinsbrauerei Höhscheid. An der Schützenstraße in Solingen unterhielt die Brauerei C. Beckmann nicht nur einen Brauereibetrieb mit angeschlossener Mälzerei und Eisfabrikation, sondern auch einen eigenen Fuhrpark mit Pferden und Kutschen. Noch bis in die 1950er-Jahre wurden sowohl die Bierfässer als auch das Stangeneis zur Bierkühlung mit
den Fuhrwerken transportiert.

Das Ohligser Bier hatte spätestens in den 1960er-Jahren mit harter Konkurrenz aus der Region zu kämpfen. Plötzlich floss Stifts Pils aus Dortmund oder Hagener Andreas Bier aus den Zapfhähnen. Doch der größte Konkurrent für die Brauerei C. Beckmann waren die Musketiere aus dem benachbarten Wuppertal. Vor allem männliche Biertrinker
aus der Klingenstadt ließen sich von dem kultigen Werbespruch „Männer wie wir, Wicküler Bier“ verleiten. Dies war der Anfang vom Ende der Solinger Brautradition. 1989 wurde der Braubetrieb an der Schützenstraße eingestellt, zwei Jahre später folgte die Betriebsschließung in Ohligs.

Halbautomatische Flaschenabfüllung in Solingen-Ohligs ©Stadtarchiv Solingen
Blick auf die ehemalige KipperBrauerei in Remscheid ©Michael Sieber

Remscheid

Auch die Brautradition in Remscheid erfuhr nach 156 Jahren ein jähes Ende: 1993 stellte die Brauerei C. W. Kipper ihren Betrieb ein. Noch ein Jahr vor der endgültigen Schließung der ältesten und letzten Privatbrauerei im Bergischen Land erhoffte sich der Ur-Urenkel von Brauereigründer Carl Wilhelm Kipper, das Familienunternehmen vor dem Hintergrund eines immer härter werdenden Verdrängungswettbewerbs in die sechste Generation führen zu können. Der Brauereigründer hatte in jungen Jahren nichts mit dem Brauhandwerk am Hut. Als der 1808 geborene Carl Wilhelm Kipper in der Hausbrauerei seines ältesten Bruders in Rösrath-Kleineichen aushalf, entdeckte er seine Leidenschaft für Bier. Im heutigen Kölner Stadtteil Mülheim absolvierte er eine Brauer- und Mälzerlehre. Anschließend ging er als junger Geselle auf Wanderschaft und landete schließlich in Remscheid.

Mit 29 Jahren pachtete er 1837 den ehemaligen Sägenbetrieb von Peter Carl Deitermann. 100 Taler Pacht waren für ein Jahr fällig. Nach anfänglichen Schwierigkeiten beim Bierabsatz expandierte Kipper derart, dass er 1845 eine größere Brauerei mitsamt Wohnhaus am Birgderkamp baute. Im Laufe der Jahre zog modernes technisches Equipment in die Braustätte ein. In der 1869 errichteten Mälzerei versah fortan eine Dampfmaschine ihren Dienst. Der technische Fortschritt war nicht mehr aufzuhalten. Die Qualität des Remscheider Bieres wurde aufgrund der angepassten Herstellungsprozesse immer besser. Nach dem Tod des Vaters übernahm Carl Wilhelm II die Geschicke des Unternehmens. Unter seiner Regie entstand die neue Brauerei an der heutigen Kipperstraße, voll-gestopft mit neuester Dampfmaschinentechnik, Eismaschinen und anderen elektrischen Geräten.

Im Laufe der vielen Jahrzehnte änderte sich auch der Geschmack der Remscheider Biertrinker. Das bisher dominierende Export wurde durch Pils und Alt als leichtere Sorten abgelöst. Das Kipper Pils – 1983 in Remscheider Pils umbenannte Bier – war jetzt in aller Munde. Wie alle anderen Brauereien in der bergischen Region wurde auch die Brauerei C. W. Kipper trotz aller Anstrengungen aus dem Markt gedrängt. Vor 30 Jahren ging diese Remscheider Biertradition endgültig zu Ende.

ENGELBERT Redaktion – Holger Bernert