Tibor tanzt

Das Hamburg Ballett hat eine der besten Kompanien der Welt. In seinen Reihen tanzt seit Kurzem auch der junge Tänzer Tibor Perthel aus Burscheid.

Die Geschichte von Tibor Perthel ist die eines jungen Mannes, der schon als Elfjähriger auszog, um Tänzer zu werden. „Weil es nicht anders ging“, sagt der heute 19-jährige Perthel, der in Burscheid aufwuchs und schon früh die Grenzen des Bergischen Landes erkannte: „Es gab gute Ballettschulen in der näheren Umgebung. Aber für eine Profi-Karriere musste ich fort.“

Perthel zog ins Zentrum des Ruhrgebiets, nach Essen, wo es ein städtisches Gymnasium mit einer Tanzabteilung gibt. Ein großer Schritt für einen Jungen in diesem Alter, zumal er nicht nur seine Eltern, sondern auch drei Geschwister zurücklassen musste. „In Essen lebte ich in zwei verschiedenen Gastfamilien, bis ich das Gymnasium nach der zehnten Klasse verließ.“ Zu diesem Zeitpunkt war Perthel es gewohnt, mehrere Stunden am Tag zu trainieren. Doch im klassischen Ballett, der wohl härtesten Disziplin in der Welt der Künste, heißt das nicht viel: All das Training im Tanzhaus des Gymnasiums Essen-Werden, das als einziges in Deutschland zusätzlich zum Abitur eine Tanzausbildung anbietet, war lediglich eine Etappe auf einem Weg, den selbst ein Talent wie Perthel nicht planen konnte. „Den Traum, Tänzer in einer hervorragenden Kompanie zu werden, träumen schließlich viele“, sagt der hochgewachsene Halbfranzose, dessen deutscher Vater 2006 aus beruflichen Gründen mit der Familie von Tibors Geburtsstadt Luxemburg ins Bergische Land gezogen war.

Eine andere Welt

©Kiran West

Dass der angehende Teenager Tibor in dieser eher ländlichen Umgebung, weit weg von international anerkannten Bühnen, den Drang verspürte, Tänzer zu werden, lag unter anderem an der Ballett-Dokumentation „First Position“. Der Film verschafft Einblicke in den weltweit größten Ballett-Wettbewerb: den Youth America Grand Prix. „Ich sah darin zum ersten Mal Aran Bell, den heutigen Ersten Solisten vom American Ballett Theatre. Er war in dem Film ungefähr so alt wie ich damals, aber er konnte schon so unglaublich viel.“ Perthel, der damals noch Unterricht in der Leichlinger Ballettschule „Tanzwerkstatt“ erhielt, wollte es dem Tanz-Genie aus Maryland nachtun. Und tatsächlich gelang ihm nach seiner Ausbildung in Essen der ganz große Sprung: „Ich bewarb mich in der Ballettschule des Hamburg Ballett und wurde genommen.“ Seitdem lebt Perthel nicht nur in Hamburg, wo er auch sein Abitur machte, sondern bewegt sich in einer gänzlich anderen Welt. Denn das Hamburg Ballett ist nicht irgendein Ballett: Es zählt seit vielen Jahren zu den internationalen Spitzen-Ensembles. Ein Verdienst seines legendären Ballettchefs John Neumeier, von dem Perthel voller Hochachtung spricht.

Jedes Ballett ist besonders

Noch ist Perthel nur Aspirant – obwohl er damit bereits ein festes Engagement hat und auf die Bühne darf. So wie im Oktober in Baden-Baden beim Festival „The World of John Neumeier“, bei dem nicht nur die Ballette „Dona Nobis Pacem“ und „Dornröschen“ im Mittelpunkt standen, sondern auch Choreografien von Absolventen der Ballettschule. Perthel gerät ins Schwärmen, wenn er diese Auftritte Revue passieren lässt. Und er freut sich auf alles, was ihn als künftigen Gruppentänzer in dieser Kompanie erwartet. Denn jedes Stück, das an der Hamburgischen Staatsoper kreiert wird, hat aus seiner Sicht seinen besonderen Reiz – vor allem dann, wenn es viel darstellerisches Talent erfordert: „Der Tanz an und für sich ist ja nur die physische Bewegung des Körpers. Der spannendere Part ist die Bewegung im Kontext, sie mit Emotionen zu füllen und sich total in eine Rolle hineinzufühlen.“ Ob er das so gut kann, dass es irgendwann für ein Leben als Solist reicht, weiß er nicht. „Es ist mir aber auch nicht wichtig“, sagt Perthel. Er sei nicht Balletttänzer geworden, um ein Star zu werden, sondern aus reiner Liebe zum Tanzen. Dafür habe er so hart gearbeitet und sei bereit, es auch in Zukunft zu tun. Denn sein Leben als Berufstänzer habe zum Glück gerade erst begonnen.

Tibor Perthel auf der Bühne des Ernst Deutsch Theaters in Hamburg ©Silvano Ballone

ENGELBERT Redaktion – Melanie Aprin