Vom Auswahlspieler zum Chefcoach

Die American Footballer der Solingen Paladins wollen an alte Zeiten anknüpfen. Ihr Ziel für diese Saison: der Aufstieg in die Zweite Bundesliga. Für den Ur-Solinger Alexander Thomas ist es das erste Jahr als Cheftrainer.

Dank verstärkter TV-Präsenz erfreut sich American Football auch hierzulande einer wachsenden Beliebtheit. Doch was für manchen als neue Trendsportart erscheint, ist in Solingen schon Tradition. Seit Ende der 1970er-Jahre wird in der Klingenstadt Football gespielt, und das in den höchsten Ligen des Landes. Die Teams hießen Steelers, Hurricanes und heute Paladins. Alexander Thomas ist ein Teil dieser Geschichte. Der 48-Jährige schaffte es in den 1990er-Jahren als „Hurricane“ in verschiedene Jugend-Auswahlmannschaften. Er spielte in der „Offensive Line“, war also ein robuster Typ, sollte den Quarterback beschützen und Lücken in der gegnerischen Verteidigung reißen. In seiner besten Zeit hatte er ein Kampfgewicht von bis zu 128 Kilogramm. Doch mit einer Größe von nur 1,80 Meter war er eigentlich gute zehn Zentimeter zu klein für seine Position. „Das war nicht optimal und vielleicht auch der Grund, warum ich es nicht noch weiter geschafft habe“, erzählt er.

Ein Solinger Urgestein

Trainer Alexander Thomas,
Foto: Christian Beier

So blieb er seiner Heimatstadt Solingen treu. Als sich die Hurricanes Ende der 1990er-Jahre aus finanziellen Gründen auflösten, pausierte auch er mit dem Football. Als sich dann 2006 die Solingen Paladins gründeten, war er mit dabei – als Übungsleiter des ersten Trainings. „Ich hatte eigentlich nicht die Idee, noch einmal zu spielen, stieg dann aber doch wieder in die Offensive Line ein und war noch bis 2010 aktiv.“ Anschließend wechselte er endgültig in den Trainerstab. Als Positionstrainer für die Offensive Line stieg er mit den Paladins bis in die Regionalliga auf. 2017 wechselte er zum Bundesligisten Cologne Crocodiles, schließlich schaffte er es bis zum NRW-Auswahltrainer der U18 – und arbeitete parallel wieder für sein Heimteam in Solingen. Seit dieser Saison ist er als Headcoach erstmals hauptverantwortlich und Chef eines zehnköpfigen Trainerteams. Das kennt man aus dem professionellen American Football. Für die unterschiedlichen Positionen, in Verteidigung und Angriff, gibt es jeweils eigene Trainer. Jedes Training und die Spiele werden gefilmt und die Coaches treffen sich zur Videoanalyse. Üblich ist auch, dass sie vor dem nächsten Spiel die Videos mit dem Gegner tauschen.

Cheftrainer von rund 50 Spielern

Mittwoch und Freitag findet das Feldtraining statt. Gesprochen wird dort ausschließlich in Englisch, denn zum Kader, dem sogenannten Roster aus rund 50 Spielern, gehören auch vier US-Amerikaner. Müsste Thomas einen Spieler mit besonderem Potenzial hervorheben, würde er Kevontre Whetzel nennen. „Der ist schon ein Top-Athlet.“ Der Coach betont aber auch: „Wir kommen vor allem über unsere mannschaftliche Stärke.“ Seit Ende April und bis September läuft die Saison in der Regionalliga. Die Solingen Paladins haben ein Auf und Ab hinter sich. Nach einem Neuanfang in der sechsten Liga stiegen sie bis in die zweite Bundesliga auf, und vor zwei Jahren von dort wieder ab. Nun peilen sie die Rückkehr in die zweite Liga an. „Wir wollen angreifen und so schnell wie möglich wieder hoch. Wir haben eine gute Mannschaft, auch ein gutes Trainerteam, und wir gucken positiv nach vorne“, sagt Alexander Thomas. Mit einer eigenen Physioabteilung, Fitness- und Ernährungsplänen für die Spieler hat man sich auch im Umfeld das Niveau der zweiten Liga bewahrt.

Footballspiele sind ein Familienfest

Zu den Heimspielen der Solingen Paladins kommen bis zu 1000 Zuschauer in das Walder Stadion, die Jahnkampfbahn. „So eine Kulisse sucht schon seinesgleichen in der Region, die gibt es sonst nur beim Handball“, sagt Thomas. Das Publikum erfreut sich am Spiel auf dem Platz, „das vom Momentum lebt, viele Führungswechsel bringen kann und oft bis zum Ende spannend ist“, so Thomas, aber auch am Programm drumherum. Denn Football ist ein Familienfest. Es gibt Burger, Musik, Kinderbelustigung – und keinen Krach unter den Fans. Und wie kam Alexander Thomas eigentlich selbst zum American Football? „Im Urlaub habe ich mit meinem Vater einen Ball gekauft und haben ihn uns einfach nur zugeworfen“, erzählt er. Anfang der 1990er-Jahre entdeckte er die Sportart mit ein paar Freunden endgültig für sich. Als sie auf einer Wiese spielten, wurden sie von jemandem der Solingen Hurricanes sozusagen entdeckt. 1991 trat er in den Verein ein. Und wenn er mal bei den Profis der NFL in den USA reinschaut, interessiert er sich besonders für die Green Bay Packers. Einer der traditionsreichsten Standorte im American Football, so wie Solingen es für den deutschen Football ist.

Stefan Reinelt
Titelbild: Christian Beier