Wie gesund ist vegan und Co.?

Vegetarisch, vegan, zuckerfrei: Immer mehr Menschen entscheiden sich für alternative Ernährungsformen. Doch um das Thema ranken sich hartnäckige Mythen. Ernährungsberaterin Kathrin Marten klärt auf, welche Umstellungen unbedenklich sind und welche nicht.

Veganer essen nur Salatblätter, Soja macht den Regenwald kaputt – zum Thema alternative Ernährung kursieren viele Mythen und Vorurteile. Zu Recht?

Kathrin Marten: Ich lese gerade das Buch „Öfter mal die Sau rauslassen“ von Markus Keller und Annette Sabersy über pflanzenbasierte Ernährung. Dort habe ich noch mehr Ernährungsmythen gefunden: „Salat lässt den Bizeps schrumpfen“ zum Beispiel. Das lässt sich jedoch mit Blick auf den Boxer und Veganer Mike Tyson anschaulich entkräften. Auch „Vegan ist etwas für Frauen – Männer essen Fleisch“ ist so ein langgehegter Mythos, der zeigt, welche kulturelle Bedeutung Fleisch hat. Fleisch zu essen bedeutet immer noch, Kraft und Potenz aufzunehmen. Dass pflanzliche Ernährung der Umwelt nicht schadet, erklären die Autoren ebenfalls: Zwar verbraucht der Anbau von einem Kilo Avocado 2000 Liter Wasser, aber die Produktion von einem Kilogramm Rindfleisch 15.000 Liter. Es gibt zwar immer noch viele Mythen, aber mit der jüngeren Generation ändert sich das langsam.

Warum entscheiden sich immer mehr Menschen dafür, vegan oder vegetarisch zu werden?

Die Gründe für die vegane und vegetarische Ernährung sind neben dem gesundheitlichen Aspekt ethischer und politischer Art: Der Klimaschutz, die Sorge um das Tierwohl und der Einsatz für die Nachhaltigkeit stehen im
Vordergrund.

Schadet es der Gesundheit, auf Lebensmittel wie Fleisch und Milch zu verzichten?

Die vegetarische Ernährung ist mit wenig Aufwand umsetzbar und birgt keine Risiken, wenn man die guten Fette
des Fleischs aus anderen Quellen wie Raps- oder Leinöl bezieht. Hülsenfrüchte wie Kidneybohnen und Kichererbsen sorgen für ausreichende Eiweißzufuhr. Veganer, die auf alle tierischen Lebensmittel, also auch Gelatine und Honig,
verzichten, müssen darauf achtgeben, dass sie das Vitamin B12 als Nahrungsergänzungsmittel zu sich nehmen. B12
sorgt im Körper für Zellteilung, Blutbildung und ist wichtig für die Nerven und die Psyche. Außerdem sollten sie ihre
Eiweißversorgung im Blick behalten. Veganer erweitern ihr Ernährungskonzept auf ihr Lebenskonzept und wählen
auch ihre Kosmetik und Kleidung nach veganen Gesichtspunkten aus. Was sich in den letzten Jahren zum Besseren
geändert hat: Die Vielfalt an Angeboten ist größer geworden, dadurch ist es praktikabler geworden, vegan zu sein.

©Katarzyna Weusthoff

Also ist es sogar gesund, vegetarisch oder vegan zu leben?

Ja, die gesundheitlichen Vorteile liegen auf der Hand. Ich habe ein geringeres Risiko, Herz- und Kreislauferkrankungen zu bekommen.

Dann gibt es noch die Menschen, die sich zuckerfrei ernähren. Sinnvoll oder übertrieben?

Eine komplett zuckerfreie Ernährung ist fast unmöglich. Denn Zucker ist ja auch in Milchprodukten und Obst enthalten. Sie wäre auch nicht ratsam, denn unser Körper braucht eine gewisse Menge an Kohlenhydraten. Die gesundheitlichen
Vorteile einer zuckerreduzierten Ernährung sind jedoch unschlagbar: Übergewicht mit den Folgen eines größeren Risikos für Herz-Kreislauferkrankungen und Karies könnten reduziert werden. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt, dass nur zehn Prozent der Tagesenergie aus freiem, also extra zugesetztem Zucker gedeckt wird – bei
einem Kalorienbedarf von 1800 Kalorien würde das etwa 50 Gramm Zucker entsprechen. Die Weltgesundheitsorganisation WHO spricht sogar von nur 25 Gramm Zucker am Tag, die kommen schnell zusammen. Aber es geht immer um das Spiel mit der Menge.

Viele Menschen mit Verdauungsproblemen entscheiden sich dazu, glutenfrei zu essen. Ist das eine gute Idee?

Nur ein kleiner Teil der Bevölkerung kann Gluten nicht vertragen. Wenn gesunde Menschen mit Verdauungsprobleme den Konsum von glutenhaltigem Brot und Nudeln reduzieren, verbessert sich gewissermaßen durch die Hintertür
ihr Wohlbefinden und sie bleiben dabei. Aber die Ursache dafür ist oftmals weniger der Verzicht auf Gluten als eine Reduktion von Brot und Nudeln generell, also ein bewussterer Umgang mit der Ernährung. Ein Risiko besteht außerdem: Glutenfreie Produkte sind keine Vollkornprodukte, da bringt man sich um die guten Inhaltsstoffe. Außerdem
enthalten sie häufig viel Zucker und Fett. Ich rate meinen Klienten zu einer ausgewogenen Ernährung, die reichlich
Gemüse, Obst und Vollkornprodukte wie etwa Haferflocken enthält, aber auch maßvoll Fleisch und Fisch. Wenn
die Lebensmittel wenig verarbeitet und vielleicht sogar aus ökologischem Anbau sind, enthält mein Essen deutlich
weniger Zusatzstoffe und Rückstände von Pestiziden.

ENGELBERT Redaktion – Sigrid Blomen-Radermacher