Youtube-Star mit 58

Die Solingerin Silvia Hommen hat sich beruflich umorientiert: Sie arbeitet nicht mehr als Buchhalterin, sondern kocht vegane Gerichte auf Youtube. Ihre Entscheidung bereut sie nicht.

Dass Silvia Hommen heute als vegane Youtuberin bekannt ist, hat mit einer Diagnose und einem Schnellkochtopf
zu tun. Vor über zehn Jahren ging sie mit einem angeschwollenen, schmerzenden Mittelfinger zum Arzt. Sie leide an Arthrose, sagte man ihr. „Ich fragte, was ich dagegen tun kann. Die Antwort lautete: nichts. Das sei in meinem Alter normal“, sagt die heute 58-Jährige. Durch Zufall stieß sie auf Hilfe. Eine Freundin erzählte ihr von einem Heilpraktiker, der seine an Arthrose leidenden Patienten erfolgreich mit einer Ernährungsumstellung behandele – kein Fleisch und vor allem keine Milchprodukte. „Damals steckte Veganismus noch in den Kinderschuhen. Aber ich hatte ja nichts zu verlieren.“ Sie probierte es aus und merkte nach drei Monaten, dass ihr Finger nicht mehr ganz so angeschwollen war. „Ich konnte anderen Menschen wieder die Hand schütteln, ohne vor Schmerz zusammenzuzucken“, erzählt sie.

©Christian Beier

Der Erfolg motivierte sie, sie recherchierte viel, las vegane Kochbücher und kaufte sich einen Schnellkochtopf, um vegane Gerichte zu kochen. Die Anleitung für das Gerät gab es damals allerdings nur auf Englisch: „Ich wusste, dass viele nichts damit anfangen konnten. Ich übersetzte die Anleitung, drehte eine Erklärvideo und lud es auf Youtube hoch“, sagt sie. Sie habe einfach nur helfen wollen. Die Resonanz war groß – überraschend für Hommen, die damals als Buchhalterin arbeitete. Sie entschied sich, Youtube eine Chance zu geben und hatte mit dem Thema vegane Ernährung die perfekte Nische gefunden. Ihren Kanal nannte sie „Veggi Leo“. Viele würden denken, dass es sich dabei um ihren Vornamen handelt, doch der Begriff ist von der Fernsehshow Galileo abgeleitet: „Ich gebe Wissen über die vegane Ernährung weiter und fand das passend“, sagt sie.

Heute hat „Veggi Leo“ über 43.500 Youtube-Abonnenten. Jede Woche lädt sie ein neues Video hoch. Pizza-Suppe, Rouladen, Maultaschen und viele andere Gerichte kocht Hommen vor der Kamera, ohne dabei Milch- und Fleischprodukte zu verwenden. Mit veganen Trends wie Acai-Bowls, Chia-Samen und Avocado hat das nicht viel zu tun, aber das soll es auch gar nicht: „Ich koche gerne deftig, es soll schmecken wie bei Oma, aber gesund und einfach
sein. Trends interessieren mich nicht“, sagt sie.

Ganz nah dran – Hommens Videos zeigen vegane Rezeptideen zum Nachkochen und kommen dabei ohne Special Effects und Musik aus. ©Christian Beier

Omas Klassiker vegan nachzukochen sei nicht immer einfach, aber sie habe in den vergangenen Jahren viel ausprobiert und dazugelernt. Besonders stolz ist sie auf ihr veganes Gulasch: „Den meisten fällt nicht einmal auf, dass ich es ohne Fleisch gekocht habe“, sagt sie. Hommens Videos sind immer gleich aufgebaut und folgen einem simplen Schema: Sie zeigt die benötigten Zutaten, erklärt, was zu tun ist, kocht das Gericht und richtet es an.
Es gibt keine Special Effects, keine Musik und nur wenige Videoschnitte – ganz anders als es bei jüngeren Youtubern mit Kochkanälen oft der Fall ist.

Auch hier möchte sich Hommen nicht den aktuellen Trends beugen. Sie weiß, wen sie erreichen möchte: „Meine Zielgruppe sind hauptsächlich Frauen in meinem Alter“, sagt sie. Trotzdem hat sie auch einige junge Abonnenten: 14 Prozent ihrer Zuschauer sind zwischen 35 und 44 Jahre alt, elf Prozent zwischen 25 und 34. Auch auf Instagram ist sie seit einiger Zeit aktiv. Dort haben sich ihre musikfreien Videos mittlerweile als Vorteil erwiesen. Seit Februar 2023 gelten auf der Plattform neue Richtlinien zu den Urheberrechten, seitdem darf nicht jeder die Musik ohne Lizenz nutzen. Viele ihrer Bekannten, die ihre Kochvideos musikalisch unterlegt hatten, mussten ihre Videos löschen. „Ein Schlag ins Gesicht, weil in so einem Reel jede Menge Arbeit steckt“, weiß Hommen.

„Es soll schmecken wie bei Oma“
Silvia Hommen, Youtuberin

Spaß steht an erster Stelle

Silvia Hommen hat sich zur veganen Ernährungsberaterin ausbilden lassen. ©Christian Beier

Vor über acht Jahren entschied sich Silvia Hommen, der Video-Plattform eine Chance zu geben und ist nun „Content- Createrin“. Dass sie mit ihren 58 Jahren inzwischen Videos filmen und schneiden kann, Fotos für Thumbnails bearbeitet und Reels auf Instagram postet, führt Hommen auf ihr Interesse an allem Technischen zurück: „Ich habe mich schon immer gerne in Themen hineingefuchst“, sagt sie. Das Youtube-Wissen habe sie direkt bei Youtube selbst gelernt, bei Fragen gegoogelt. „Es ist erstaunlich, was man sich heute alles selbst beibringen kann.“ Auch das Thema vegane Ernährung hat für sie einen immer wichtigeren Stellenwert bekommen.

Im März 2021 absolvierte sie eine Prüfung zur Ernährungsberaterin, seit Juli 2021 ist sie außerdem vegane Ernährungsberaterin. Obwohl sie mit ihrem Wissen auf Youtube und Instagram Geld verdient, möchte sie sich auch weiterhin nicht unter Druck setzen, immer mehr Abonnenten zu bekommen und berühmt zu werden. Der Spaß an der Sache und die Vermittlung von Wissen stünden bei ihr an erster Stelle. Ihre größte Motivation seien nicht steigende Abonnentenzahlen, sondern Kommentare. Ihr größtes Lob: „Mir hat mal jemand geschrieben, dass sich meine Videos anfühlen, als wäre man in meiner Küche und könnte mir beim Kochen zusehen. Genau das möchte ich“, sagt Silvia Hommen.

ENGELBERT Redaktion – Danina Esau